Praxisgeschichten aus der integrierten Sonderschulung
Überblick

Einleitung
Die Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen und unterschiedlichen Lernvoraussetzungen ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag an die Schule. In den vergangenen Jahren wurden neue Gesetze und Verordnungen verabschiedet, Broschüren und Hilfsmittel bereitgestellt, die Ausbildung der Lehr- und Fachpersonen angepasst und Schulen weiterentwickelt.
Mit dem Lehrplan 21 steht nun zum ersten Mal überhaupt in der deutschsprachigen Schweiz ein “Lehrplan für Alle” zur Verfügung. Das dort beschriebene Lern- und Unterrichtsverständnis anerkennt Vielfalt innerhalb schulischer Lerngruppen als Faktum einer integrativen Volksschule.
Wo Menschen mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen, Wünschen und Visionen aufeinandertreffen und gemeinsam schwierige Situationen zu bewältigen haben, ist mit Problemen zu rechnen. Diese Probleme zu lösen und sich selbst und andere Menschen im Leben weiterbringen, ist aber auch eine persönlich befriedigende und gesellschaftlich zentrale Aufgabe.
Über das Was und Wozu schulischer Integration wurde vor allem aus Sicht der Bildungspolitik, Wissenschaft und Verwaltung viel gesagt und geschrieben. Stimmen aus der Praxis hört man meist nur, wenn es nicht mehr geht, wenn Frustration und Enttäuschung so gross ist, dass keine Bereitschaft für die Entwicklung gemeinsamer Lösungen mehr vorhanden ist.
Wir wollen Fachpersonen aus der Praxis eine Stimme geben, die sich tagtäglich für Kinder mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen, mit schwierigen Lebenssituationen oder mit Beeinträchtigungen einsetzen, dabei gute Arbeit leisten, Erfolge feiern, aus Misserfolgen lernen, sich konstruktiv mit anderen Beteiligten auseinandersetzen und praxistaugliche Vorgehensweisen und Hilfsmittel entwickeln.
Bei der Darstellung der Stimmen aus der Praxis orientieren wir uns an den Prozessschritten der Landkarte «Befähigungsorientierter Förderzyklus». Diese Landkarte gibt einen Überblick zum Förderprozess für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen unter Berücksichtigung des Bildungsauftrages gemäss Lehrplan 21 (Hollenweger & Bühler 2024). In den einzelnen Prozessschritten wird geklärt, worum es geht, welche Ziele im Vordergrund stehen und wie der Förderprozess mit dem übergreifenden Ziel der Befähigung aller Schülerinnen und Schüler konkret umgesetzt werden kann.

Die Filme mit den Stimmen aus der Praxis sind zusätzlich den verschiedenen Ebenen der Landkarte zugeordnet. Diese geben Hinweise auf welcher Ebene oder welchen Ebenen der Fokus der Aussagen liegt. Ob es grundsätzlich um die Vision der Befähigung geht, einzelne Schülerinnen oder Schüler im Vordergrund stehen, die Klasse, oder eher die Schule oder die Aussenwelt.
Rahel Vontobel und Noemi Hurtado, die beide als behinderungsspezifische Beraterinnen (BBk) im Kanton Aargau unterwegs sind, beschreiben, was Lehrpersonen mitbringen müssen, damit eine integrierte Sonderschulung gelingen kann. Dafür braucht es gemäss Noemi Hurtado eine Veränderung der Bildungskultur.
Hauptaussagen
Eigenschaften integrativer Lehrpersonen
- Echtes Interesse und Freude an der Entwicklung und Ausbildung der Kinder
- Balance zwischen Struktur und Freiheit / Kreativität
- Mit Empathie auf die Kinder zugehen können
- Diversität der Kinder akzeptieren und schätzen
- Bedeutung einer hohen Reflexionsfähigkeit (selbst und im Team)
Hauptaussagen
Ein neues Bild des Lehrerberufes
- Lehrpersonen sind nicht Inhaltsvermittlerinnen, sondern Entwicklungsbegleiterinnen
- Beispiel: Lehrperson mit herausfordernder Klasse, Umgang mit ‚Störungen‘ im Unterricht
- Störungen akzeptieren können und warten, bis die Klasse bereit ist
- Erkennen, wenn man nicht für den Lehrerberuf geeignet ist (Interesse an Beziehungsarbeit vs. Wissensvermittlung)