6 Assistenz zum selbstständigen Wohnen

Luisa Krumrei; Dominique-Isabelle Schumann; und Emilia Brachmann

Einleitung

Für die meisten Menschen ohne Behinderung ist es ein natürlicher Werdegang, sich im jungen Erwachsenenalter die erste eigene Wohnung zu suchen, oder in eine Wohngemeinschaft zu ziehen und selbstständig auf eigenen Füßen zu stehen. Laut dem «Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte» hat jeder Mensch das «Recht […] auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen» (ICESCR Art. 11 Abs 1). Die Vertragsstaaten haben sich außerdem darauf geeinigt, «geeignete Schritte, um die Verwirklichung dieses Rechts zu gewährleisten» (ICESCR Art 11. Abs 1), zu unterstützen.

Menschen mit Beeinträchtigung wird diese Möglichkeit oft verwehrt, wenn sie nicht selbstbestimmt durch Familienmitglieder oder gesetzliche Betreuer:innen in Wohneinrichtungen untergebracht werden. Oft verbringen sie so ihr gesamtes Leben ohne die Möglichkeit der Veränderung.

Ein Konzept, um Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit zu geben, selbstständig zu leben, ist die Assistenz zum Wohnen. Hierfür können die Personen mit Beeinträchtigung zu Arbeitgeber:innen werden. Sie können sich den oder die Assistent:in selbst aussuchen und entscheiden, wer sie unterstützen darf. Dafür nutzen sie ihr eigenes Budget (Familienratgeber.de, 2020, online). Die Assistenz ist in diesem Fall wichtig, da nur mit ihrer Hilfe das Leben und Wohnen möglichst eigenständig zu gestalten ist. Sie hilft der jeweiligen Person so selbstständig wie möglich und ohne weitere fremde Hilfe leben zu können.

Im Folgenden wollen wir eine Möglichkeit vorstellen, durch die Menschen mit Behinderung die Chance bekommen, mit Unterstützung selbstbestimmt zu leben. Zu Beginn werden wir die Grundlagen, welche Aspekte von Assistenz wichtig sind und welche Herausforderungen sich für verschiedene Personengruppen stellen, erläutern. Außerdem werden wir auf besondere Aspekte eingehen, die beachtet und geleistet werden müssen.

Grundlagen

Bei der Assistenz ist es wichtig, dass die Unterstützung von Person zu Person individualisiert wird, da jeder Mensch verschiedene Hilfestellungen benötigt, um möglichst selbstständig leben zu können. Manche Menschen brauchen Hilfe bei bestimmten Entscheidungen wie der Wahl des geeigneten Wohnraums und müssen dementsprechend beraten werden. Die Beratung erfolgt immer wertfrei, sodass die Möglichkeit gegeben wird, sich seine eigene Meinung zu bilden und selbstständig entscheiden zu können.

Über die Beratung bezüglich des Wohnraumes hinaus geht es um die Begleitung im Alltag, da manche Menschen Unterstützung benötigen, um gewisse Tätigkeiten meistern zu können. Dabei unterstützen Wohn-Assistent:innen bei vielen verschiedenen Tätigkeiten des Alltags, wie zum Beispiel:

  • beim Kochen,
  • beim Reinigen der Wohnung,
  • beim Wäsche waschen,
  • bei der Gartenarbeit,
  • beim Einkaufen,
  • beim Schriftverkehr mit Behörden oder
  • bei der Freizeitgestaltung (vgl. Familienratgeber.de, 2020, online).

Assistent:innen können aber auch dabei helfen, Krisen zu verstehen und helfen, diese zu lösen (vgl. Lebenshilfe Güstrow e.V, 2016, online).

Besonders wichtig zu erwähnen ist, dass immer die Person, die die Hilfe benötigt, entscheidet, wann und wie etwas stattfinden wird und dass diese die Assistenz-Leistung auch mit dem eigenen Geld in Form des Persönlichen Budgets bezahlt (Familienratgeber.de, 2020, online). Wer Anspruch auf Teilhabeleistungen hat, kann das Persönliche Budget beim zuständigen Rehabilitationsträger beantragen.

Assistenznehmer:innen erhalten monatlich ein bestimmtes Budget, das im Voraus mit den Leistungsträgern festgelegt wird. Mit den zur Verfügung gestellten Geldmitteln wird die eigene Hilfe organisiert. Im Rahmen des Arbeitgebermodells werden Assistent:innen eigenständig gesucht, eingestellt, eingearbeitet und bezahlt (vgl. Persönliche Assistenz, o.D, online).

Assistenz kann in verschiedenen Wohnformen geleistet werden. Zum einen können Menschen mit Beeinträchtigungen in einer eigenen Wohnung allein oder zusammen mit Partner:in, Familie oder Freunden leben. Die Assistenz im Wohnalltag findet in diesem Rahmen zu Hause statt (vgl. Familienratgeber.de, 2020, online). Zum anderen gibt es auch die Möglichkeit, in einer Wohngemeinschaft zu leben. Dabei kann der oder die Assistent:in je nach Bedarf in die WG kommen und Unterstützung im WG-Alltag leisten (vgl. Familienratgeber.de, 2020, online). Hier darf die Wohnassistenz nur über einen Träger angeboten werden. Sie gehört also nicht zu den sogenannten Laien-Tätigkeiten und braucht damit eine formelle Ausbildung.

Besondere Aspekte

Grundsätzlich ist es wichtig und unverzichtbar, dass der/die Assistent:in Freude an der Arbeit mit Menschen und insbesondere mit Menschen mit Behinderung hat. Des Weiteren wäre es hilfreich für die Zusammenarbeit, wenn der/die Wohn-Assistent:in gute Kommunikationsfähigkeiten besitzt, da dieser/diese mit dem Auftraggeber bzw. der Auftraggeberin im engen Kontakt steht und eine regelmäßige Kommunikation erforderlich ist. Auch für den Austausch im gesamten Assistenz-Team (Wohnen, Pflege, Freizeit, Arbeit, etc.) werden gute kommunikative Fähigkeiten benötigt.

Nicht nur eine stimmige Kommunikation kann zur erfolgreichen Unterstützung des/der Auftraggeber:in führen, auch Charaktereigenschaften, wie Geduld, Toleranz und Ausgeglichenheit sind von Bedeutung, denn bei der Arbeit mit anderen Menschen «klappt nicht immer alles wie am Schnürchen» (ava, online).

Da die Auftraggeber:innen sich auf die Assistent:innen verlassen müssen, wäre es außerdem wichtig, wenn diese sehr zuverlässig und organisiert sind (ava, o.D online). Jedoch sollte darauf geachtet werden, dass die Assistent:innen den Auftraggeber:innen die Möglichkeit geben, sich selbst zu organisieren. Denn Menschen mit Behinderung wollen ein selbstbestimmtes Leben führen, benötigen aber den Raum, um dies zu tun. Daher muss zwischen «Bevormundung» und Unterstützung immer genau unterschieden werden und mit dem/der Auftraggeber:in ständig Rücksprache gehalten werden. Wichtig ist es, dass die Aufgaben klar und deutlich von dem/der Auftraggeber:in formuliert sind und die Assistent:innen nur das ausführen, wozu der/die Assistenznehmer:in sie beauftragt.

Fazit

Wie bereits erwähnt, haben Menschen mit Beeinträchtigung oft nicht die Möglichkeit, den Wohnraum selbst zu wählen. Die Assistenz zum Wohnen kann die Möglichkeit eröffnen, selbstständig und selbstbestimmt über das Leben und den Wohnraum zu bestimmen. Außerdem können Hilfestellungen in den Lebensbereichen bereitgestellt werden, in denen ein Unterstützungsbedarf besteht, ohne dadurch die eigene Autonomie zu verlieren. Das kann unter anderem durch eine enge Absprache und klare Kommunikation mit der Assistenzkraft gewährleistet werden. Die Assistenz zum Wohnen bietet Menschen mit Beeinträchtigung Hilfe zur Selbsthilfe.

Die persönliche Assistenz bietet eine Chance, die genutzt werden sollte. Die Persönliche Assistenz erleichtert die Inklusion in die Gesellschaft, was nach wie vor ein großes, wichtiges Ziel in unserer Gesellschaft ist, auf das auch in Zukunft weiter hingearbeitet werden sollte.

Literatur

Lizenz

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