5 Assistenz in den Lebensbereichen Arbeit & Berufsbildung

Suchittra Roehl; Jasmin Grün; und Julia Berthold

Einleitung

Der Lebensbereich Arbeit und Berufsbildung umfasst alle beruflichen Situationen ab Beginn der beruflichen Orientierung junger Menschen. Dies schließt sowohl den Übergang von der Schule zum Berufsleben mit Berufsorientierung und -beratung, Bewerbungsprozesse und die Aufnahme einer Ausbildung oder einer vergleichbaren Tätigkeit, als auch die Aufnahme einer Beschäftigung auf den je-weiligen Arbeitsmärkten, die Teilnahme an beruflichen Fort- und Weiterbildungen, Situationen von Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche und berufliche Selbständigkeit mit ein. Auch über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus kann Arbeit einen relevanten Teil der Lebensgestaltung ausmachen und ist somit spätestens ab Er-reichen der Volljährigkeit über die gesamte Lebensspanne hinweg von Bedeutung.

Denn bei vorliegender Beschäftigungslosigkeit treten vermehrt psychologische und gesundheitliche Probleme auf. Zudem droht durch die Stigmatisierung eine gesellschaftlich-kulturelle und soziale Isolation, die zur starken Einschränkung der gesellschaftlichen Teilhabe führen kann. Darüber hinaus fungiert Erwerbsarbeit als Schutz vor Verarmung und Überschuldung (vgl. Berthold, Oschmiansky, 2020).

Im dritten Teilhabebericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird für das Jahr 2017 von 5,9 Millionen Menschen mit Beeinträchtigung im erwerbsfähigen Alter (18-64 Jahre) berichtet. Die Erwerbstätigenquote der Menschen mit Beeinträchtigung lag im selben Jahr jedoch bei lediglich 53 Prozent, wohingegen 81 Prozent der erwerbsfähigen Menschen ohne Beeinträchtigung erwerbstätig waren. Zudem hatten mit 20,6 Prozent über 5 Prozent mehr Menschen mit Beeinträchtigung zwischen 30 und 64 Jahren keinen beruflichen Abschluss im Vergleich zur gleichen Altersgruppe der Menschen ohne Beeinträchtigung. Das Armutsrisiko von Menschen mit Beeinträchtigung betrug im selben Jahr 18 Prozent, wohingegen dieses bei Menschen ohne Beeinträchtigung nur bei 15 Prozent lag (vgl. BMAS, 2021).

Insgesamt kann festgestellt werden, dass Menschen mit Beeinträchtigung im Ver-gleich zu Menschen ohne Beeinträchtigung in allen Bereichen der Berufsbildung und des Arbeitslebens seltener vertreten und damit in gewissen Hinsicht benachteiligt sind.

Assistenzleistungen können in diesem Bereich unterstützend wirken und die Teil-habe an Berufsbildung und Arbeit fördern und sichern. In den Jahren von 2014 bis 2017 war zudem ein Anstieg von 21 Prozent bei den gewährten Leistungen zur Arbeitsassistenz zu verzeichnen (vgl. BMAS, 2021). Dies deutet auf eine zunehmende Bedeutung dieses speziellen Bereiches der Assistenzleistungen hin.

Die Erbringung von Assistenzleistungen hat also einen Effekt über die Möglichkeit der Berufstätigkeit hinaus. Sie legt einen Grundstein zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Anerkennung und wirkt sich positiv auf ein selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft aus. Somit können Assistenzleistungen so-wohl das Selbstwertgefühl als auch die Lebensqualität steigern (vgl. Bartz, 1999).

Grundlagen

Finanzierung

Budget für Arbeit

Eine Möglichkeit der Finanzierung der Assistenzleistungen beispielweise die Begleitung und Anleitung am Arbeitsplatz, besteht durch das sogenannte Budget für Arbeit. Dieses kann sowohl für Teil- als auch für Vollzeitbeschäftigung in Anspruch genommen werden und bietet außerdem einen Lohnkostenzuschuss für den Arbeitgeber. Ein Anspruch besteht für Menschen mit einer festgestellten Behinderung, sobald ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis oder Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) besteht (vgl. Betanet, 2021a).

Budget für Ausbildung

Das Budget für Ausbildung wurde am 1. Januar 2020 eingeführt und soll für Menschen mit voller Erwerbsminderung eine Ausbildung auf dem ersten Ausbildungs-markt ermöglichen. Das Budget finanziert die Ausbildungsvergütung und die Kosten für Assistenzleistungen im Ausbildungsbetrieb und der Schule. Ist der Besuch der Berufsschule nicht möglich, kann der schulische Teil der Ausbildung alternativ in einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation erbracht werden (vgl. BMAS, 2021).

Persönliches Budget

Jede Person mit einer festgestellten Beeinträchtigung hat einen Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget. Das Persönliche Budget ermöglicht die Umwandlung von Sach- in Geldleistungen, sodass anstelle der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Auszahlung des Budgets erfolgt, wodurch sich die Person die entsprechenden Leistungen und Dienste selbst einkaufen kann. Die Person mit Beeinträchtigung fungiert hier als Arbeitgeber und kann z. B. Assistenzkräfte einstellen und beschäftigen. Die Arbeitsassistenz ist als Teil des Persönlichen Budgets eine Leistung, die sowohl zur Erlangung als auch zum Erhalt eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses genutzt werden kann. Diese Form der Assistenz wird nur dann gewährt, wenn sowohl eine behinderungsgerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes als auch vom Arbeitgeber gewährte Unterstützung (wie Hilfe von Kolleginnen und Kollegen) zur Ausführung der Tätigkeit nicht ausreichend sind (vgl. Betanet, 2021b).

Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes

Bei der Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes handelt es sich um eine befristete vermögens- und einkommensunabhängige Leistung, die auch in Assistenzform erbracht werden kann. Diese Leistung ist auf maximal drei Jahre befristet.

Sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben

Auch als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem Teilhaberecht des SGB IX kann eine Arbeitsassistenz nach § 49 Abs. 3 Nr. 7 finanziert werden. Die Assistenzkraft kann auf dieser Grundlage v. a. ausbildungsbegleitend und im Eingangs-bereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) eingesetzt werden.

Arbeitsassistenz in den verschiedenen Phasen

Berufsorientierung/-beratung & Bewerbung

Gegen Ende der Schullaufbahn spielt die berufliche Zukunftsplanung eine immer wichtigere Rolle. Hierbei müssten, um auch in diesem Kontext eine inklusive Grundlage zu schaffen, einige zentrale Aspekte überdacht und fortlaufend geändert werden. Die Zukunftsplanung sollte jenseits institutioneller Zuordnung und ausgehend von individuellen Vorlieben und ggf. formulierten Träumen in Kooperation mit den jungen Leuten selbst und in Zusammenarbeit mit ihren informellen Unterstützer:innen-Kreisen zum Ausgangspunkt zukünftiger Perspektiven gemacht werden. Eine schrittweise Annäherung an dieses Ziel ist notwendig und sinnvoll.

Eine Stärkung der Qualität von Beziehungsgestaltung, die auf Dialog, Präsenz, Nähe, Selbstkontrolle, Transparenz und Netzwerk-Verständnis beruht und damit überholte Formen der rollenbezogenen hierarchischen Autorität hinter sich lässt, stellt ein neues Verständnis von Autorität dar, das auch die totale Verweigerung von Autorität, wie dies andere Konzepte vorschlagen, überwindet. Im Verlauf der Berufsorientierung und Beratung spielt die unterstützte Beschäftigung ohne die Zuordnung zu Gruppen-Kategorien eine entscheidende Rolle. Im Sinne eines gestärkten Handlungs- und Praxisbezugs in der Kooperation mit Betrieben für Praktika und zukünftige Arbeitsplätze ist es wichtig, dass diese zukünftigen Möglichkeiten im Vorhinein definiert werden und individuell angepasste Tätigkeitsprofile genutzt werden. Eine Diagnostik, die sich nicht an vorgegebenen Ordnungen, Stufenschemata und Entwicklungsniveaus orientiert, sondern die Erfahrungen, das Arbeitsumfeld und das Selbstverständnis Lernender reflektiert, ist in diesem Kon-text sinnvoll. (vgl. Arndt et al., 2018).

So kann die Assistenzkraft im Rahmen der persönlichen Assistenz bereits bei der Berufsorientierung unterstützen, indem sie z. B. Kontakt zu potenziellen Arbeitgeber:innen und auch zu entsprechend ausgerichteten Beratungsstellen herstellt, bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen assistiert und die arbeitssuchende Person dann zu Terminen begleitet.

Aufnahme einer Ausbildung, Beschäftigung oder vergleichbarer Tätigkeit

Nach der erfolgreichen Bewerbung auf einen Ausbildungs- oder Beschäftigungs-platz folgt die Aufnahme der entsprechenden Tätigkeit. Gerade zu Beginn einer inhaltlich neuen Beschäftigung, einem neuen Arbeitsort und/oder -umfeld oder sonstigen Veränderungen kann die Assistenz eine sinnvolle und produktive Unter-stützung sein. Denn die Orientierung am neuen Arbeitsplatz, die Kontaktaufnahme zu anderen Mitarbeitenden oder Auszubildenden und zu Vorgesetzten, die Strukturierung und das Erlernen neuer Tätigkeiten und der Transfer bereits bestehen-den Wissens auf neue Gebiete, können für Personen mit Beeinträchtigungen aller Art zu Herausforderungen werden. Hierbei können Assistenzkräfte unterstützend tätig sein, indem sie Orientierungs- und Strukturierungshilfen anbieten, Berührungsängste auf beiden Seiten abbauen, Transferleistungen unterstützen und der Person mit Beeinträchtigung dabei helfen, Unsicherheit z.B. bei Kommunikation mit andere aufzubauen. Wird diese Form der Arbeitsassistenz als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 Absatz 8 Nummer 3 SGB IX erbracht, so ist sie, wie in Kapitel 2.1.4. bereits erwähnt, auf maximal drei Jahre befristet (vgl. BIH, 2018).

Erhalt der Beschäftigung

Im Bereich der Berufsausbildung können Assistenzkräfte im Rahmen der Ausbildungsassistenz tätig werden. Denkbar sind hier unterstützende Tätigkeiten im Bereich der Handreichungen wie das Kopieren von Unterlagen, Unterstützung durch Kommunikationshilfen und die Hilfe beim Zugang von Informationen wie z. B. durch das Vorlesen von Texten. Art und Umfang der Unterstützung richten sich nach dem individuellen Bedarf. Das Ziel der Ausbildungsassistenz ist es, den Auszubildenden eine möglichst selbständige Berufsausbildung zu ermöglichen und den erfolgreichen Abschluss zu fördern. Zu beachten ist, dass der oder die Arbeitgeber:in entscheidet, wer in seinem oder ihrem Betrieb als Ausbildungsassistenz tätig sein darf und dass diese:r hierfür seine oder ihre schriftliche Zustimmung erteilen muss. Zum Erhalt eines bestehenden Arbeitsverhältnisses können Menschen mit Beeinträchtigungen die reguläre und auch langfristig beanspruchbare Arbeitsassistenz nutzen. Die Assistenzkraft kann hier sowohl bei der Erbringung der konkreten Arbeitsleistung unterstützen als auch bei persönlichen Schwierigkeiten und Konflikten im Kollegium oder mit Vorgesetzten helfen. Außer-dem kann sie als Ansprechpartner:in im Kollegium dienen. Wie bei der Ausbildungsassistenz auch ist es jedoch von dem oder der Arbeitgeber:in abhängig, ob eine schriftliche Genehmigung darüber ausgestellt wird, ob eine Person als Assistenzkraft in einem Betrieb arbeiten darf (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2017).

Arbeitslosigkeit, Arbeitssuche & berufliche Fort- und Weiterbildungen

Nach § 117 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB III kann unter Umständen ein Rechtsanspruch auf Leistungen der Arbeitsassistenz im Rahmen einer beruflichen Fort- oder Weiterbildung bestehen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 23.01.2019 – L 18 AL 66/17).

Gerade eine hohe und ständige (Weiter-)Qualifizierung kann für Personen mit Beeinträchtigungen zur Sicherung der Beschäftigung und zur Erhöhung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt beitragen. In Zeiten von Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche kann eine Assistenzkraft im Rahmen der persönlichen Assistenz bei der beruflichen Orientierung und in Bewerbungsprozessen und Auswahlverfahren unterstützen.

Berufliche Selbständigkeit

Die berufliche Selbständigkeit von Menschen mit Beeinträchtigung wird durch den Einsatz von Assistenzkräften häufig erst ermöglicht. Generell ist die Notwendigkeit des Einsatzes von Assistenzkräften von der Art und Schwere der Beeinträchtigung und deren Wechselwirkung mit der ausgeübten Tätigkeit abhängig. Im Bereich der beruflichen Selbständigkeit ist im Unterschied zum Normalarbeitsverhältnis jedoch zu beachten, dass z.T. ein bürokratischer Mehraufwand entstehen kann. Darüber hinaus kann bei Solo-Selbständigkeit eine durch Krankheit oder Verschlechterung der gesundheitlichen Situation herbeigeführte geringere Arbeitsfähigkeit nicht durch Kollegen kompensiert werden, sodass finanzielle Einbußen entstehen können. Bei der beruflichen Selbständigkeit kann die Abgrenzung einer behinderungsbedingten Unterstützung durch Assistenzleistungen, die üblicherweise auch bei nicht beeinträchtigten Selbständigen durch Angestellte erbracht werden, besonders herausfordernd sein. Bei der Bedarfsermittlung sollten deshalb nur Tätigkeiten berücksichtigt werden, die tatsächlich aufgrund einer vorliegenden Beeinträchtigung durch die selbständige Person nicht erbracht werden können (vgl. BIH, 2008).

Herausforderungen

Herausforderungen für Personen mit kognitiver oder /psychischer Beeinträchtigung

Bei Personen mit einer kognitiven und/oder psychischen Beeinträchtigung können in verschiedenen Phasen spezifische Herausforderungen auftreten. Vor allem bei kognitiven Beeinträchtigungen kann die begleitete Einführung an den (neuen) Arbeitsplatz sowie ein an den Arbeitsaufgaben ausgerichtetes Training sinnvoll sein. Hierbei können Assistenzkräfte dabei unterstützen ein Verständnis für die Arbeits-aufgabe zu entwickeln und Handlungsabläufe einzuüben. Es geht darum, eine individuelle Einarbeitung, die an den Ressourcen der Person mit Beeinträchtigung ausgerichtet sein soll, zu ermöglichen. Das Ziel der Begleitung ist die möglichst selbständige Ausübung der Tätigkeit durch die Person mit Beeinträchtigung selbst. Assistenzkräfte sollten hierbei lediglich unterstützend und begleitend auftreten und nicht fremdbestimmend agieren. Sie sollten als Partner:innen der Arbeitnehmer:innen auf deren Augenhöhe begegnen. (vgl. Bartz, 1999).

Beispiel:

Eine Person mit kognitiver Beeinträchtigung verrichtet im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten eine Bürotätigkeit. Dabei kann sie beispielsweise durch die Assistenzkraft Erklärungen über die Nutzung und Anordnung von Aktenordnern er-langen, wie diese angeordnet sind und wie eine einfache Ablage funktioniert. Ne-ben dem Ziel des Erwerbs von Verständnis kann auch das wiederholte Einüben der Ablage unter Anleitung der Assistenzkraft sinnvoll sein.

Herausforderungen für Personen mit körperlicher/motorischer oder Sinnesbeeinträchtigung

Die Assistenz von Personen mit körperlicher/motorischer Beeinträchtigung im Be-reich der Arbeit kann je nach spezifischer Beeinträchtigung variieren. Die Assistenzkraft kann hierbei verschiedene Tätigkeiten ausführen, die die Person mit Beeinträchtigung aufgrund derselben nicht oder nur zum Teil selbständig ausführen kann. Diese Tätigkeiten können sowohl körperliche Aktivitäten wie das Heranreichen oder das Vorbereiten von Gegenständen zur Nutzung durch die Person mit Beeinträchtigung als auch kommunikative Aktivitäten wie beispielsweise Unter-stützung bei der Aufnahme und Durchführung von Gesprächen sein. Darüber hin-aus kann auch das Bewältigen von Wegstrecken im Rahmen der Tätigkeit durch die Assistenzkraft unterstützt werden.

Personen mit einer Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit können z. B. da-bei unterstützt werden, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, indem die Assistenz-kraft sie beim Ein- und Aussteigen begleitet. Zudem kann bei einer Bürotätigkeit das Ausdrucken und Holen von Dokumenten aus dem Drucker eine sinnvolle Unterstützung bedeuten. Bei Personen mit Sinnesbeeinträchtigung können Assistenzkräfte bei der Orientierung helfen und durch z. B. das Ansagen von Hindernissen die Sicherheit der Personen erhöhen. Wenn vorliegende Sinnesbeeinträchtigungen auch zu besonderen Herausforderungen bei der Informationsbeschaffung führen, weil diese nicht barrierefrei verfügbar sind, können Assistenzkräfte kompensierend wirken und der Person mit Beeinträchtigung einen Zugang zur Information verschaffen. Bei der Kommunikation mit dem Kollegium und/oder mit Geschäftspartner:innen unterstützen Assistenzkräfte zudem in beide Richtungen der Kommunikation und tragen zur gelungenen Durchführung bei, indem sie entsprechende Kommunikationsmittel zur Verfügung stellen oder auch Übersetzungsleistungen erbringen.

Besonders wichtig bei der Assistenz von Personen mit körperlicher und/oder motorischer Sinnesbeeinträchtigungen ist die genaue Absprache, wann und auf welche Art Unterstützung erwünscht ist. Die Arbeitnehmer:innen sollten nach ihren Möglichkeiten alle Aufgaben selbständig verrichten, was impliziert, dass die Assistenz nur nach konkreter Aufforderung erfolgt (vgl. Rubarth, 2016).

Herausforderungen für Personen mit Mehrfachbehinderung

Person mit mehrfacher Behinderung haben häufig Schwierigkeiten, verschiedenste Situationen im Arbeitskontext zu erfassen und einzuschätzen, bzw. ihnen Handlungsaufforderungen zu entnehmen. Auch die Wahrnehmungsmöglichkeiten und Informationsverarbeitungsprozesse sind bei den meisten verlangsamt oder verändert. Aufgrund dessen fällt es Menschen mit Mehrfachbehinderung schwer, Produktionsarbeit durchzuführen. Jedoch ist die Ausübung einer produktiven Tätigkeit vorteilhaft, da sie eine aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt fördert. Die Arbeitsassistenz kann bei der Durchführung von diesen Tätigkeiten unterstützen (vgl. Calabrese & Georgi-Tscherry, 2020).

Besonderheiten des Lebensbereichs Arbeit

Die Erbringung von Assistenzleistungen im Bereich Arbeit unterscheidet sich dadurch von der Assistenz in anderen Lebensbereichen, dass die Assistenzkräfte bei vorliegendem Angestelltenverhältnis auch in Verbindung zu Arbeitgeber:innen und Kollegen stehen. Neben der Assistenz bei der konkreten Erbringung der Arbeitsleistung durch die Person mit Einschränkungen können sie auch im Kollegium eine wichtige Rolle einnehmen, indem sie Berührungsängste abbauen und als Mittler:innen auftreten. Hierbei können sie bereits vorbereitend vermitteln, wo Stärken und Schwächen der Person mit Beeinträchtigung bei der Arbeitserbringung liegen und das Kollegium dafür sensibilisieren, dass auch Personen ohne diagnostizierte Beeinträchtigung nicht sämtliche Tätigkeiten uneingeschränkt aus-führen können (vgl. Bartz 1999).

Selbstbestimmung

Dem Thema der Selbstbestimmung kommt bei der Arbeitsassistenz eine besondere Bedeutung zu, da es sich hierbei v. a. um «Handreichungen [handelt], die den schwerbehinderten Menschen in die Lage versetzen, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen» (BIH 2019, S. 2).

Der Systematisierung Theunissens (2002) folgend, liegt der Fokus deutlich auf der Erbringung der sogenannten «Facilitatorischen Assistenz» als Form der wegbereitenden Unterstützung. Darüber hinaus spielen die «Sozialintegrierende Assistenz» und v. a. im Bereich der Berufsorientierung oder in Zeiten der beruflichen Um- und/oder Neuorientierung auch die «Konsultativ Assistenz» in Form von Beratung eine zentrale Rolle (vgl. Theunissen, 2002 zit. n. Mohr, 2006, Theunissen, 2003 zit. n. Mohr, 2006, Theunissen & Plaute, 2002 zit. n. Mohr, 2006).

Die Risiken, die v. a. mit Langzeitarbeitslosigkeit einhergehen, können für Menschen mit Beeinträchtigungen gravierende Folgen haben, da psychosoziale und gesundheitliche Auswirkungen auf das Individuum durch bestehende Beeinträchtigungen schlechter kompensiert werden und bereits bestehende Stigmatisierungs-prozesse weiter verstärken können. Die Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der psychosozialen Ressourcen erschwert wiederum die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus stellt Arbeitslosigkeit einen der häufigsten individuellen Überschuldungsgründe dar, der eine weitere Beeinträchtigung von Teilhabe und Selbstbestimmung zur Folge haben kann (vgl. Berthold, Oschmiansky, 2020).

Zur Qualifikation der Assistenzkraft

Es gibt kein offizielles Berufsbild der «Arbeitsassistenz». Abhängig von verschiedenen Faktoren, die im Folgenden aufgezeigt werden sollen, sind bestimmte Qualifikationen, Eigenschaften und Fähigkeiten jedoch grundlegend bis förderlich für die Arbeit als Assistenzkraft im Bereich des Arbeitslebens.

Die Assistenzkraft sollte über Grundkenntnisse des Konzepts der Persönlichen Assistenz verfügen oder ggf. die Bereitschaft besitzen, sich diese anzueignen. Zudem muss die Assistenzkraft jederzeit die Selbstbestimmung der Person mit Beeinträchtigung respektieren und darf keine betreuende oder pflegerische Position einnehmen.

Wichtige Eigenschaften und Fähigkeiten über die eine Assistenzkraft im Bereich der Arbeitsassistenz verfügen sollte, sind Zuverlässigkeit, Belastbarkeit, Anpassungsbereitschafft, kommunikative Kompetenz, Konfliktfähigkeit, Selbständigkeit, räumliche und zeitliche Flexibilität und Pünktlichkeit (vgl. B. Blesinge). Diese Eigenschaften sind v. a. für den Aufbau und den Erhalt einer guten, stabilen und vertrauensvollen Beziehung zwischen Assistenzkraft und Person mit Beeinträchtigung von Bedeutung. Je nach Art der vorliegenden Beeinträchtigungen können spezifische weitere Fähigkeiten von Vorteil sein. So können z. B. Kenntnisse der Deutschen Gebärdensprache und/oder ein deutliches Mundbild bei Beeinträchtigungen des Hörens erforderlich sein. Eine Voraussetzung bei der Kommunikationsassistenz stellt eine ausgeprägte Kontaktfreudigkeit dar, wohingegen eine Assistenz für Menschen mit einer Gehbehinderung das Vorhandensein eines Führer-scheins bedingt. Wenn die Person mit Beeinträchtigung technische Hilfsmittel wie einen Elektrorollstuhl verwendet, dann sollte die Assistenzkraft im Umgang mit diesen Hilfsmitteln geschult sein, um ggf. Unterstützung bei der Nutzung zu leis-ten. Bei der Nutzung von Medien zur unterstützenden Kommunikation wie Talkern oder Kommunikationsbüchern muss die Assistenzkraft in der Lage sein, mit den entsprechenden Medien umzugehen, die kommunizierende Person zu verstehen und ggf. selbst, der Methode des Modelns folgend, diese Kommunikationsform einzusetzen. (vgl. BAG UB, 2019). Darüber hinaus können abhängig von der Tätigkeit der Person mit Beeinträchtigung weitere spezifische arbeitsplatzbezogene Kenntnisse, Fähigkeiten und/oder Voraussetzungen erforderlich sein.

Fazit und Ausblick

Aus den Erkenntnissen der vorherigen Kapitel lassen sich einige Forderungen ableiten: Um inklusive Teilhabe im Ausbildungs- und Berufsleben zu ermöglichen, ist eine Zusammenarbeit aller aktiven Institutionen und beteiligten Bildungs- und Arbeitswesen notwendig. Vor allem aber muss es zu einer Verankerung von inklusiven Aspekten in der Konzeption des Bildungsangebotes kommen. Außerdem müssen Angebote an die reguläre Ausbildung bzw. die Umsetzung in Kooperation mit Betrieben angebunden werden, um den Übergang an den allgemeinen Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Damit auch beeinträchtigten Menschen der Weg in den gewünschten Beruf ermöglicht werden kann, sollten Angebote zukünftig auf heterogene Lerngruppen ausgerichtet werden und nicht mehr auf spezifische Lerngruppen. Außerdem müssen die einzelnen Jugendlichen mit ihren Interessen und Wünschen in Entscheidungsprozesse, die die eigene Zukunft betreffen, aktiv einbezogen werden. Um die berufliche Teilhabe aber auch soziale Inklusion zu ermöglichen, müssen die Betroffenen bei der Entwicklung von Fach-, Sozial-, und Selbstkompetenzen, das heißt, einer umfassenden Bildung unterstützt werden. Des Weiteren müssen Kooperationen mit externen Akteuren, die einen hohen Stellenwert in der praktischen Arbeit haben, konkret benannt werden. Lernzentrierte Ansätze müssen als Ausdruck individueller Förderung sowohl in der Planung als auch der Durchführung verankert werden und Beratungs- und Begleitungs-strukturen dringend ausgebaut werden (vgl. Arndt et al., 2018). Abschließend kann festgehalten werden, dass der Einsatz von Assistenzleistungen im Bereich des Arbeitslebens und der Berufsbildung eine gute Möglichkeit zur Förderung einer inklusiven Arbeitswelt darstellt. Jedoch können Assistenzkräfte nur in einem ein-geschränkten Rahmen und vornehmlich individuell unterstützen. Ein inklusiver Ausbildungs- und Arbeitsmarkt bedarf aber grundlegender Änderungen, die Assistenzkräfte allein nicht herbeiführen können.

Literatur

Lizenz

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Einführung in die Assistenz Copyright © 2021 by Suchittra Roehl; Jasmin Grün; und Julia Berthold is licensed under a Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International, except where otherwise noted.