Teil 1: Lehrplan verstehen

1.2. Lehrplan als Grundlage für Lernpläne

Die Volksschule erfüllt ihren Bildungsauftrag durch die Gestaltung des Unterrichts und des Zusammenlebens in der Schule. Sie stellt angemessene Bildungsangebote und Lernsettings bereit, dazu gehören auch alle sonderpädagogischen Massnahmen (siehe Volksschulgesetz). Der Lehrplan umschreibt, welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit erwerben sollen, er ist also aus der Perspektive der Lernenden formuliert. Eigentlich ist der Lehrplan also ein Lernplan. Doch was passiert, wenn das Lernen nicht nach Plan läuft?

Alle an Bildung beteiligten Fachpersonen sind in der gleichen Situation: Sie gestalten Lerngelegenheiten, ohne genau zu wissen, wie das Gegenüber diese nutzt und was tatsächlich gelernt wird. Regelmässige Erhebungen der Grundkompetenzen überprüfen deshalb, ob Schülerinnen und Schüler die Grundansprüche erreichen. Das Bildungssystem überprüft die Leistungen der Schülerinnen und Schüler, um zu erfahren, ob die Schule ihren Bildungsauftrag erfüllt (siehe Nationale Bildungsziele der EDK). Grundsätzlich hat die Schule eine Leistungspflicht gegenüber den Schülerinnen und Schülern – nicht umgekehrt!

Doch was ist, wenn Schülerinnen und Schüler nicht entlang der vorgesehenen Kompetenzstufen lernen? Bei Kindern und Jugendlichen mit komplexen Behinderungen bieten nicht erbrachte Leistungen wenig Informationen dazu, ob die Schule ihren Bildungsauftrag wahrnimmt.  Wenn nicht an messbaren oder beobachtbaren Leistungen, an was soll sich der Bildungsprozess dann orientieren? Statt sich gleich auf die 363 Kompetenzen und 2304 Kompetenzstufen zu konzentrieren, lohnt sich ein Blick auf die im Lehrplan 21 formulierten Bildungsziele.

Bildungsziele: Anregung zur Vertiefung
(Zeitaufwand < 1 Minute)

Bitte lesen Sie die Bildungsziele durch und notieren Sie sich die für Sie wichtigsten Begriffe!

Die Abschnitte «Bildung ermöglicht…» und «Bildung befähigt…» verweisen auf die zwei Perspektiven, unter denen man «Bildung» denken kann: Bildung ist einerseits ein Angebot der Lehrenden und andererseits ein Prozess und Ziel der Lernenden. Die Schule ermöglicht Erkundungen, bietet Lerngelegenheiten für die Auseinandersetzung mit sich, der Welt und anderen Menschen und begleitet die Entfaltung der Potenziale.  Wenn also standardisierte Lernangebote nicht zielführend sind und ganz anders gestaltete Lernwege gesucht werden müssen – was bietet dann Orientierung?

Anregung zur Vertiefung
(Zeitaufwand < 3 Minuten)

Perspektivenwechsel

Bildung als Angebot und Auftrag der Schule vs. Bildung als Prozess und Ziel des Kindes: Welche Begriffe gehören zur welcher Perspektive? Ordnen Sie die Begriffe der entsprechenden Perspektive zu:

«Bildung befähigt zu einer eigenständigen und selbstverantwortlichen Lebensführung». Wenn dies gelingt, wird das Recht auf Bildung eingelöst. Die schweizerischen und kantonalen gesetzlichen Grundlagen wurden bereits eingangs erwähnt. Von Bedeutung ist ebenfalls die Behindertenrechtskonvention (BRK), insbesondere Artikel 24, dessen Zielsetzungen in Abschnitt 1 den Bildungszielen im Lehrplan 21 ähnlich sind. Zur Information: die BRK steht auch in leichter Sprache zur Verfügung.

Anregung zur Vertiefung
(Zeitaufwand < 2 Minuten)

Behindertenrechtskonvention

Lesen Sie Abschnitt 1 Art. 24 und vergleichen Sie die Ziele unter a) bis c) mit den Bildungszielen im Lehrplan 21. Konkretisieren Sie die Ziele a) bis c) am Beispiel von Nick, Chris oder Luc. Wird der Lehrplan den Forderungen der Behindertenrechtskonvention gerecht?

Lizenz

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