Fördermassnahmen
Wir werden Textdetektive
von Andreas Gold, Judith Mokhlesgerami, Katja Rühl, Stephanie Schreblowski und Elmar Souvignier (2006)
Einsatzbereich
- 4. bis 6. Klasse
- Gruppentraining
- Universelle, selektive und indizierte Prävention
Qualitätskriterien
Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Evaluation | |
---|---|---|---|
Bewertung | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis |
Erläuterung | Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. | Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. | Überzeugende Belege zur Wirksamkeit. |
Inhalt
Das Unterrichtsprogramm hat zum Ziel, die Schüler:innen zum selbstständigen und selbstregulativen Einsatz von Lesestrategien anzuleiten sowie Lesefreude und -interesse zu stärken.
Der zeitliche Umfang beträgt etwa 20 bis 25 Unterrichtsstunden. Es kann im regulären Deutschunterricht durchgeführt werden. Es hat sich bewährt, das Programm über einen längeren Zeitraum zu verteilen und nicht als Kompaktkurs durchzuführen. Es wird empfohlen, die dem Programm zugrunde liegenden Prinzipien und den Leseplan auch in anderen Unterrichtsstunden anzuwenden.
Das Lesetraining beginnt mit einer Einführung in die Rahmenhandlung, bei der die Kinder erfahren, wie Detektiv:innen Hilfsmittel zu nutzen, um Probleme zu lösen, respektive Texte zu entschlüsseln. Anschliessend folgen drei inhaltliche Bausteine:
- Motivationale Selbstregulation: Hier geht es um eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Zielsetzungsverhalten und mit der Bewertung eigener Leistungen. Es soll vermittelt werden, dass eigenes (Lern-)Engagement ursächlich für den individuellen (Lern-)Erfolg ist.
- Kognitive und metakognitive Lesestrategien: Textverarbeitung wird als Problemlösen verstanden, weshalb hier sieben Lesestrategien als «Detektivmethoden» eingeführt werden: (1) Überschrift beachten, (2) Bildlich vorstellen, (3) Umgang mit Textschwierigkeiten, (4) Verstehen überprüfen, (5) Wichtiges unterstreichen, (6) Wichtiges zusammenfassen und (7) Behalten überprüfen. Mit den ersten beiden Strategien lernen die Kinder, Vorwissen zu aktivieren. Mit der fünften und sechsten Strategie lernen die Kinder, Texte auf die wesentlichen Informationen zu reduzieren. Bei der dritten, vierten und siebten Strategie handelt es sich um megakognitive Strategien, mit welchen die Selbstregulation des Strategieeinsatzes gefördert wird. Entscheidend ist zu wissen, wann welche Strategie einzusetzen ist, weshalb gelernt werden muss, dass die sieben Lesestrategien unterschiedliche Funktionen haben. Für jede Detektivmethode gibt es ein Merkkärtchen, das hilft, sich die Strategie immer wieder schnell ins Gedächtnis zu rufen.
- Kognitive Selbstregulation: Dieser Baustein integriert die bis dahin vermittelten Inhalte zu einer Handlungsroutine, was im Programm als «Leseplan» bezeichnet wird. Es wird vermittelt, dass der Strategieeinsatz in Abhängigkeit von den jeweiligen Textanforderungen eigenverantwortlich zu planen, zu überwachen und zu regulieren ist.
Das Lehrermanual beschreibt 14 Lerneinheiten. Die Anzahl benötigter Unterrichtsstunden hängt von den Vorkenntnissen und Fähigkeiten einer Klasse und von der Organisation des Unterrichts ab.
Das Programm «Wir sind Textdetektive» (Trenk-Hinterberger & Souvignier, 2013) stellt eine Wiederholungseinheit dar, die auf dem ursprünglichen Programm «Wir werden Textdetektive» aufbaut. Es bietet vielfältige Möglichkeiten zur Wiederholung und Festigung der erworbenen Inhalte. Das Ergänzungsprogramm eignet sich zur Auffrischung nach etwa einem Jahr, also in der 6. oder 7. Klasse.
In Anlehnung an «Wir werden Textdetektive» wurde zudem das Unterrichtskonzept «Wir werden Lesedetektive» entwickelt (Rühl & Souvignier, 2006). Dabei handelt es sich um eine im Anspruchsniveau reduzierte Version des Strategietrainings, in welcher vier Strategien eingeübt werden. «Wir werden Lesedetektive» eignet sich insbesondere für lern- und leseschwache Kinder und Jugendliche.
Durchführbarkeit
Die einzelnen Lerneinheiten sind im Lehrermanual (Gold et al., 2006a) detailliert beschrieben. Dabei sind die Doppelseiten jeweils parallel zu lesen: Die rechte Seite umfasst jeweils eine kurze Übersicht über die Ziele und Materialien, einen Leitfaden zur Vermittlung der Lerninhalte sowie weitere wichtige Hinweise und Anregungen. Auf der linken Seite erfolgen Bemerkungen für die Unterrichtenden respektive Hintergrundinformationen zu den betreffenden Lerneinheiten. Zusätzlich sind die verwendeten Materialien des Arbeitsheftes und Unterrichtsbeispiele abgebildet. Für die Schüler:innen liegt ein Arbeitsheft vor (Gold, et al., 2006b), das zusätzlich erworben werden kann. Das Arbeitsheft umfasst sämtliche Arbeitsmaterialien, Texte und Merkblätter, die für das Training benötigt werden.
Für den Erwerb der Lesestrategien wurde eine Auswahl aus Sach- und narrativen Texten getroffen, um einen Transfer der erlernten Methoden auf unterschiedliche Textsorten zu ermöglichen. Es wurden altersentsprechende und interessante Texte ausgewählt, die unterschiedliche Themenbereiche umfassen. Die Lesestrategien können jedoch auch anhand anderer Texte vermittelt werden. Im Lehrermanual wird auf zusätzliche Literatur verwiesen.
Theoretische Fundierung
Die theoretische Grundlage des Programms stammt aus der Pädagogischen Psychologie. Einen allgemeinen Rahmen bilden die Theorien zum selbstregulierten Lernen (Boekarts, 1999). Die inhaltliche Gestaltung des Programms orientiert sich an kognitionspsychologischen Theorien des Textverstehens (Kintsch, 1998). Das Programm baut auf dem Ansatz von Scott Paris und Kolleg:innen (1984) sowie den Materialien von Schreblowski und Hasselhorn (2001) auf. Die Metapher der Leser:innen als Detektiv:innen wurde von Scott Paris übernommen und soll veranschaulichen, dass Leser:innen wie Detektiv:innen nach wichtigen Informationen suchen und dabei strategisch vorgehen.
Kognitionspsychologische Theorien betrachten Lesen als eine konstruktive Interaktion zwischen Leser:in und Text, bei der mentale Repräsentationen auf verschiedenen Ebenen entstehen. Ein vertieftes Verständnis von Textinhalten wird erreicht, wenn neue Informationen mit vorhandenem Vorwissen verknüpft werden. Dabei unterstützen elaborierende Lesestrategien die Aktivierung und Integration von Vorwissen, während reduktiv-organisierende Lesestrategien die in einem Text enthaltenen Informationen auf das Wesentliche verdichten. Im Programm «Wir werden Textdetektive» werden beide Strategietypen vermittelt. Da der reine Strategieerwerb für den erfolgreichen Einsatz nicht ausreicht, wird zusätzlich die Selbstregulation des Strategieeinsatzes gefördert. Dies umfasst das Planen, Überwachen und Bewerten des eigenen Vorgehens mit Hilfe von metakognitiven Strategien. Ergänzend wird auch die motivationale Selbstregulation trainiert, um die Bereitschaft und das Vertrauen zu stärken, Lesestrategien eigenständig anzuwenden. Ein zusätzlicher Baustein zur Steigerung der Leistungsmotivation unterstützt diesen Prozess (Gold et al., 2006a).
Evaluation
Im Lehrermanual wird darauf hingewiesen, dass das Unterrichtsprogramm in zahleichen Schulklassen eingesetzt, wissenschaftlich begleitet und kontinuierlich weiterentwickelt wurde. Die Wirksamkeitsprüfungen zeigten, dass sich die Lesekompetenz der Schüler:innen verbessert, wenn man das Unterrichtsprogramm mit «herkömmlichem» Deutschunterricht vergleicht. Zudem sind die Trainingseffekte überdauernd, so dass auch ein halbes Jahr nach Abschluss die Effekte nachgewiesen werden können. Die Befunde zeigen aber auch, dass eine Verbesserung des Wissens über effektive Lesestrategien nicht unbedingt zu Steigerungen im Leseverständnis führen muss und sich hierzu lediglich kleine Effekte zeigten (Mokhlesgerami, 2004; Souvignier & Mokhlesgerami, 2006).
Souvignier und Trenk-Hinterberger (2010) zeigten, dass «Auffrischungssitzungen» das Programm effektiv ergänzen. In einer Stichprobe von 779 Schüler:innen nahmen 352 Schüler:innen ohne und 288 Schüler:innen mit Auffrischungssitzungen am Programm teil; 139 erhielten als Kontrollgruppe regulären Deutschunterricht. Beide Untersuchungsgruppen erzielten höhere Lernzuwächse im Lesestrategiewissen und im Leseverständnis im Vergleich zur Kontrollgruppe. Eine langfristige Überlegenheit gegenüber der Kontrollgruppe zeigte jedoch nur die Untersuchungsgruppe mit Auffrischungssitzungen. Die Autor:innen folgern, dass Auffrischungsstunden eine vielversprechende Methode sind, um Inhalt von Unterrichtsprogrammen nachhaltig zu unterstützen.
In einer neueren Studie untersuchte Walter (2020) die Wirksamkeit des Programms bei Grundschüler:innen der vierten Klasse. Es nahmen 82 Kinder in der Untersuchungsgruppe und 78 in der Kontrollgruppe teil. Zusätzlich wurden Schüler:innen mit deutlich unterdurchschnittlichen Kompetenzen im Leseverständnis separat untersucht, mit 38 Kindern in der Untersuchungsgruppe und 41 in der Kontrollgruppe. Die Studie zeigte signifikante kurz- und mittelfristige Transfer-Effekte mit kleiner Effektstärke auf standardisiert erfasste Leseverständnisleistungen insgesamt bei Viertklässler:innen. Weiter zeigten sich mittlere Effekte bei unterdurchschnittlichen Leser:innen dieser Klassenstufe.
Literatur
- Boekarts, M. (1999). Self-regulated learning: where we are today. International Journal of Educational Research, 31, 445–457.
- Gold, A., Mokhlesgerami, J., Rühl, K., Schreblowski, S. & Souvignier, E. (2006a). Wir werden Textdetektive. Lehrermanual (2. Aufl.). Vandenhoeck & Ruprecht.
- Gold, A., Mokhlesgerami, J., Rühl, K., Schreblowski, S. & Souvignier, E. (2006b). Wir werden Textdetektive. Arbeitsheft (3. Aufl.). Vandenhoeck & Ruprecht.
- Kintsch, A. (1998). Comprehension: A paradigm for cognition. Cambridge University Press.
- Mokhlesgerami, J. (2004). Förderung der Lesekompetenz. Kovac.
- Paris, S. G., Cross, D. R. & Lipson, M. Y. (1984). Informed strategies for learning: A program to improve children’s reading awareness and comprehension. Journal of Educational Psychology, 76, 1239–1252.
- Rühl, K. & Souvignier, E. (2006). Wir werden Lesedetektive. Lehrermanual. Vandenhoeck & Ruprecht.
- Schreblowksi, S. & Hasselhorn, M. (2001). Zur Wirkung zusätzlicher Motivänderungskomponenten in einem metakognitiven Textverarbeitungstraining. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 15, 145–154.
- Souvignier, E. & Mokhlesgerami, J. (2006). Using self-regulation as a framework for implementing strategy instruction to foster reading comprehension. Learning and Instruction, 16(1), 57–71. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2005.12.006
- Souvignier, E. & Trenk-Hinterberger, I. (2010). Implementation eines Programms zur Förderung selbstregulierten Lesens. Verbesserung der Nachhaltigkeit durch Auffrischungssitzungen. Zeitschrift Pädagogische Psychologie, 24, 207 – 220. https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000017
- Trenk-Hinterberger I. & Souvignier, E. (2013). Wir sind Textdetektive. Lehrermanual mit Kopiervorlagen (2. Aufl.). Vandenhoeck & Ruprecht.
- Walter, J. (2020). Verbesserung des Leseverständnisses auch bei schwachen Grundschülern der vierten Klasse. Evaluation einer Fördermaßnahme auf der Basis des Programms „Wir werden Textdetektive“ im Rahmen einer Felduntersuchung. Empirische Sonderpädagogik, 4, 320–346. https://doi.org/10.25656/01:21614
Haben wir etwas übersehen? Melden Sie sich gerne unter wiwawi@hfh.ch.
Letzte Änderung: 09/2024
Zur Übersicht über Fördermassnahmen.