Fördermassnahmen
Verhaltenstraining im Kindergarten: Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen
von Ute Koglin und Franz Petermann (2013)
Einsatzbereich
- 3 bis 6 Jahre (Kindergarten)
- Gruppentraining
- Universelle Prävention
Qualitätskriterien
Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Evaluation | |
---|---|---|---|
Bewertung | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis |
Erläuterung | Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. | Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. | Überzeugende Belege zur Wirksamkeit. |
Inhalt
Das «Verhaltenstraining im Kindergarten» ist ein breit angelegtes universelles Präventionsprogramm, das darauf ausgerichtet ist, die emotionalen und sozialen Kompetenzen von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren zu fördern. Es richtet sich an alle Kinder einer Gruppe, unabhängig von ihrem individuellen Hintergrund oder potenziellen Risikofaktoren, und lässt sich in den Kindergartenalltag integrieren.
Das Programm zielt darauf ab, emotionale Kompetenzen zu stärken, die soziale Informationsverarbeitung zu fördern und angemessene Verhaltensweisen zu etablieren, um so die emotionale und soziale Kompetenz zu verbessern. Es gliedert sich in zwei Blöcke:
- Block 1 – Förderung emotionaler Kompetenz: In diesem Block lernen die Kinder, ihre eigenen Gefühle sowie die Gefühle anderer wahrzunehmen. Sie erwerben Emotionswissen und vertiefen es, indem sie die Entstehung von Gefühlen, deren Ausdruck und Möglichkeiten der Emotionsregulation kennenlernen.
- Block 2 – Förderung sozialer Kompetenz: Hier stehen die Bearbeitung sozialer Konflikte und das Finden positiver Lösungen im Mittelpunkt. Die Inhalte orientieren sich an den verschiedenen Stufen der sozialen Informationsverarbeitung.
Das Training umfasst insgesamt 25 Einheiten, die jeweils etwa 35 Minuten dauern. Idealerweise sollten die Einheiten zweimal pro Woche durchgeführt werden. Das Training gliedert sich in folgende sechs Module:
- Modul 1: Basisemotionen (Freude, Trauer, Angst, Zorn/Wut)
- Modul 2: Soziale Emotionen (Emotion Scham)
- Modul 3: Vertiefung des Emotionswissens (Woher kommen Gefühle? Einfühlungsvermögen)
- Modul 4: Wahrnehmung und Interpretation von Konflikten (Unterscheidung zwischen Absicht und Versehen)
- Modul 5: Handlungsalternativen für Konflikte finden (Umgang mit Vordrängeln, Traurigkeit oder dem Wunsch, mitzuspielen)
- Modul 6: Konsequenzen eigener Handlungen finden und bewerten (Umgang mit Schubsen, Streiten)
Das methodische Vorgehen folgt einer klaren Struktur mit wiederkehrenden Elementen: Zu Beginn werden die Kinder von einer Handpuppe begrüsst, anschliessend werden die Inhalte der letzten Sitzung wiederholt. Es wird ein Gefühls-Raps gesungen. Die Kinder erfahren zudem, ob sie für die Einheit einen Aufkleber für ihr Meerbild erhalten – ein Sammelbild, das im Verlauf des Trainings durch Aufkleber vervollständigt wird. Am Ende der Einheit gibt es ein Feedback zur Mitarbeit der Kinder, und die Handpuppe wird verabschiedet.
Das «Verhaltenstraining im Kindergarten» ist eine kindzentrierte Massnahme. Es wird jedoch empfohlen, die Eltern im Vorfeld über die Ziele und Inhalte des Programms zu informieren, beispielsweise im Rahmen eines Elternbriefes oder Elternabends.
Durchführbarkeit
Das Programm ist altersgerecht gestaltet und nutzt ansprechendes Material, um die Kinder aktiv einzubeziehen. Leitfiguren wie der Delfin Finn (in Form einer Handpuppe) und die beiden Kinderfiguren Sina (eine Meerjungfrau respektive ein Meermädchen) und Benny (ein Meerjunge) aus dem «Meerkindergarten» unterstützen die Kinder dabei, eigene Probleme anzugehen.
Der didaktische Rahmen des Trainings umfasst eine Vielzahl von Methoden, darunter Bilder, Gruppengespräche, Bewegungsspiele, Brettspiele und Rollenspiele. Für die meisten Einheiten liegt eine Geschichte zu den Meerkindern Benny und Sina vor. Die Aufgaben und Übungen werden den Kindern in spielerischer und fantasievoller Form dargeboten. Ein Meerbild (Sammelbild) dient als positive Verstärkung, und zusätzliche Regel- und Erinnerungskarten helfen dabei, um die Konzentration aufrecht zu erhalten und den Kindern zu unterstützen, sich an das trainingsbezogene Verhalten zu erinnern.
Das Manual enthält detaillierte Beschreibungen aller Einheiten. Eine CD-ROM mit Bildmaterialien und Arbeitsblättern liegt bei. Zusätzlich kann eine Spielmaterialkiste separat bestellt werden.
Theoretische Fundierung
Das Manual bietet eine Einführung in Verhaltensauffälligkeiten im Kindergartenalter und beleuchtet oppositionell-aggressives und sozial unsicheres Verhalten. Ein weiteres Kapitel widmet sich der emotionalen und sozialen Kompetenz. Hierbei werden unter anderem die acht Schlüsselfertigkeiten emotionaler Kompetenz von Saarni (2002) besprochen und darauf eingegangen, dass emotionale und soziale Kompetenzen in engen Zusammenhang stehen. Darüber hinaus thematisiert das Manual emotionale Defizite bei oppositionell-aggressiver und sozial unsicherer Kinder, und beschreibt wesentliche Faktoren der emotionalen Entwicklung. Im Anschluss wird das Modell der sozialen Informationsverarbeitung nach Crick und Dodge (1994) vorgestellt und auf Besonderheiten in der sozialen Informationsverarbeitung bei oppositionell-aggressiven und sozial unsicheren Kindern eingegangen.
Das Programm setzt bei der Förderung emotionaler Kompetenzen, der sozialen Informationsverarbeitung und der Etablierung angemessener Verhaltensweisen an, um so emotionale und soziale Kompetenz zu verbessern.
Evaluation
Zwei Evaluationsstudien, durchgeführt in Luxemburg sowie in Bremen und Niedersachsen, untersuchten die Wirksamkeit des Förderprogrammes «Verhaltenstraining im Kindergarten».
Koglin und Petermann (2011) führten in Luxemburg eine Kontrollgruppenstudie mit quasi-experimentellem Design und Prä-Posttest durch. Für insgesamt 90 Kinder wurde die Verhaltenseinschätzung der Lehrpersonen eingeholt. Die Ergebnisse zeigen signifikante kurzfristige Verbesserungen in den Bereichen emotionale Probleme, Hyperaktivität, Probleme mit Gleichaltrigen sowie im Gesamtproblemwert. Keine Effekte zeigten sich in den Bereichen aggressives Verhalten und emotionale Probleme. Besonders Kinder mit anfänglichen Verhaltensproblemen profitierten vom Training.
In einer Wirksamkeitsstudie in Deutschland (Wadepohl et al., 2011) mit einer Stichprobe von 256 Kindern (127 in der Interventionsgruppe, 129 in der Kontrollgruppe) zeigten sich durch das Training signifikante positive Veränderungen. Aus Sicht der Erzieherinnen wurde ein Anstieg des prosozialen Verhaltens sowie eine Abnahme von Problemen mit Gleichaltrigen und im Verhalten berichtet. Zudem verbesserte sich die emotionale Kompetenz in der Interventionsgruppe, insbesondere in den Bereichen Emotionsausdruck, Empathie und Anpassung an Situationen. Eine weiterführende Analyse untersuchte die Wirksamkeit für Kinder mit Defiziten im prosozialen Verhalten. Für Nicht-Risikokinder konnten in der Interventions- und Kontrollgruppe keine Effekte festgestellt werden. Kinder der Risikogruppe in der Interventionsbedingung konnten deutlich mehr Probleme abbauen als jene Kinder in der Kontrollgruppe – insbesondere in den Bereichen Hyperaktivität und externalisierende Verhaltensprobleme. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass vor allem Kinder mit anfänglichen Defiziten im prosozialen Verhalten vom Training profitieren.
Literatur
- Crick, N. R. & Dodge, K. A. (1994). A review and reformulation of social information-processing mechanisms in children’s social adjustment. Psychological Bulletin, 115, 74–101.
- Koglin, U. & Petermann, F. (2011). The effectiveness of the behavioural training for preschool children. European Early Childhood Education Research Journal, 19(1), 97-111. https://doi.org/10.1080/1350293X.2011.548949
- Koglin, U. & Petermann, F. (2013). Verhaltenstraining im Kindergarten. Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen (2. überarb. Aufl.). Hogrefe.
- Saarni, C. (2002). Die Entwicklung von emotionaler Kompetenz in Beziehungen. In M. von Salisch (Hrsg.), Emotionale Kompetenz entwickeln. Grundlagen in Kindheit und Jugend (S. 3–30). Kohlhammer.
- Wadepohl, H., Koglin, U., Vonderlin, E., & Petermann, F. (2011). Förderung sozial-emotionaler Kompetenz im Kindergarten: Evaluation eines präventiven Verhaltenstrainings. Kindheit und Entwicklung, 20(4), 219 – 228. https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000059
Haben wir etwas übersehen? Melden Sie sich gerne unter wiwawi@hfh.ch.
Letzte Änderung: 10/2024
Zur Übersicht über Fördermassnahmen.