Fördermassnahmen
Training zur Prävention von Depressionen bei Jugendlichen LARS & LISA: Lust an realistischer Sicht und Leichtigkeit im sozialen Alltag
von Patrick Pössel und Martin Hautzinger (2022)

Einsatzbereich
- Jugendliche (12 bis 16 Jahre)
- Gruppentraining
- Universelle Prävention
Qualitätskriterien
| Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Evaluation | |
|---|---|---|---|
| Bewertung | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis |
| Erläuterung | Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. | Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. | Überzeugende Belege zur Wirksamkeit. |
Inhalt
Das Trainingsprogramm LARS & LISA (Lust an realistischer Sicht & Leichtigkeit im sozialen Alltag) ist ein effektives Programm zur Prävention von Depressionen bei Jugendlichen. Das Programm dient dem Aufbau funktionaler Kognitionen und der Förderung sozialer Kompetenzen. Beides sind wichtige Ressourcen im Umgang mit Belastungen, wie sie gerade in der Pubertät verstärkt auftreten. Ein Mangel an diesen Fertigkeiten erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Depressionen und anderen psychischen Problemen. Das Programm kann durch seinen universell-präventiven Ansatz mit allen Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren durchgeführt werden.
Das Förderprogramm umfasst insgesamt zehn Doppelstunden à ca. 90 Minuten, die wöchentlich durchgeführt werden. Nach einer allgemeinen Einführungs- und Kennenlernsitzung besteht das Programm aus den folgenden fünf Schwerpunkten:
- Formulierung persönlicher Ziele
- Zusammenhang zwischen Kognitionen, Emotionen und Verhalten
- Exploration und Veränderung selbstabwertender und/oder handlungsblockierender Kognitionen
- Selbstsicherheitstraining
- Training sozialer Kompetenzen
Durchführbarkeit
Das Programm LARS & LISA umfasst altersgerechte Materialien und Übungen, die gut erlernbar und leicht anwendbar sind. Ausführliche detaillierte hilfreiche Hinweise und Instruktionen erleichtern die Durchführung in der Praxis. Die Arbeitsmaterialien sind auf einer Webseite in einem Download-Bereich verfügbar und können dort heruntergeladen und ausgedruckt werden. Das Manual kann auch als E-Book bezogen werden.
Das Förderprogramm beinhaltet einige wiederkehrende Elemente wie Sitzkreis, Wissenstest, Feedback zum Verhalten, Rollenspiele sowie je nach Bedarf Auflockerungsspiele.
Auf Basis einer Pilotstudie wird darauf hingewiesen, dass sich geschlechtshomogene Gruppen günstig auf die Atmosphäre auswirken. Die Gruppengrösse umfasst idealerweise ca. 12 bis 16 Jugendlichen, jedoch sind auch Gruppen bis zu 24 Teilnehmenden möglich. Idealerweise erfolgt die Durchführung des Programmes von zwei Trainer:innen. Das Programm wurde im schulischen Kontext evaluiert, es sind aber auch Adaptionen für die Umsetzung des Programmes in anderen Settings denkbar.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung von LARS & LISA ist ein gewisses kognitives Entwicklungsalter, das den Jugendlichen erlaubt, den theoretischen Grundlagen im kognitiven Teil zu folgen und den Bezug zur eigenen Person herzustellen. Diese Voraussetzungen sind nicht an eine bestimmte Klassenstufe oder ein bestimmtes Alter der Jugendlichen gebunden.
Theoretische Fundierung
Die theoretische Grundlage des Förderprogramms LARS & LISA bildet das Modell der sozialen Informationsverarbeitung nach Dodge (1986, 1993). Dieses theoretische Modell erklärt die Entstehung von Aggression und Depression in der Kindheit und Jugend. Einerseits basiert es auf der kognitiven Theorie von Beck (1967). Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als eine der effektivsten Formen für die Behandlung von Depressionen herausgestellt (Zhou et al., 2015). Weiter basiert das soziale Informationsverarbeitungsmodell auch auf der Theorie der erlernten Hilflosigkeit nach Abramson, Seligman und Teasedale (1978).
Im Modell der sozialen Informationsverarbeitung wird Verhalten als Endergebnis eines bewussten oder unbewussten Informationsverarbeitungsprozesses mit fünf Stufen angesehen, die als Reaktion auf einen Stimulus auftreten. Das Ziel des Programmes ist es, auf möglichst vielen Stufen des Modells der sozialen Informationsverarbeitung nach Dodge (1986, 1993) anzusetzen.
Evaluation
Das Trainingsprogramm LARS & LISA wurde in mehreren randomisierten Kontrollgruppenstudien erfolgreich evaluiert. Es liegen vier deutsche und eine amerikanische Evaluationsstudie vor. In Bezug auf die Akzeptanz des Trainings zeigte sich in einer ersten Evaluation des Programmes, dass das Programm insgesamt die Note «gut» erhielt und dass der kognitive wie auch der soziale Schwerpunkt als positiv beurteilt wurden (Pössel, Horn & Hautzinger, 2006). Zudem sprechen auch später gewonnene qualitative und quantitative Ergebnisse einer Studie, an welcher u.a. 22 Lehrpersonen teilgenommen haben, für eine hohe Durchführungsqualität, eine gute Durchführbarkeit und eine positive Programmbeurteilung von Lehrpersonen (Wahl, Patak & Hautzinger, 2012).
In einer deutschen Evaluationsstudie mit 6-Monats-Follow-up konnte festgestellt werden, dass das Präventionsprogramm positive Effekte auf selbstberichtete depressive Symptome hatte (Pössel, Horn, Groen & Hautzinger, 2004). Eine unabhängige Forschungsgruppe führte eine weitere deutsche Evaluationsstudie durch, in welcher keine Effekte auf die depressive Symptomatik bei 7. Klässlern gefunden werden konnten (Groen, Al-Wiswasi, Petermann & Pössel, 2003). Hingegen konnten positive Effekte in Bezug auf das aggressive Verhalten festgestellt werden, insofern, dass die Interventionsgruppe weniger aggressives Verhalten zeigte als die Kontrollgruppe.
Eine weitere deutsche Evaluationsstudie mit 8. Klässler:innen konnte aufzeigen, dass das Programm auch bei Jugendlichen mit komorbiden Angstsymptomen und Verhaltensproblemen wirksam war (Pössel, Seemann & Hautzinger, 2008). Zudem wurden Geschlechterunterschiede erfasst: Weibliche Jugendliche profitieren unabhängig von der anfänglichen depressiven Symptomatik vom Präventionsprogramm. Männliche Jugendliche mit niedrigen Depressionswerten im Prätest profitierten jedoch mehr im Vergleich zu Jugendlichen mit erhöhten Depressionswerten zu Beginn (Pössel et al., 2008).
In einer vierten deutschen Evaluationsstudie zeigte sich wiederum der positive Effekt des Programmes auf die depressive Symptomatik bei Durchführung des Trainingsprogrammes von Psycholog:innen. Bei der Durchführung von Lehrpersonen zeigte sich kein solcher Effekt (Wahl, Adelson, Patak, Pössel & Hautzinger, 2014).
Auch im Vergleich mit einem strukturell ähnlichen, jedoch unspezifischen Programm und einer Kontrollgruppe (Pössel, Martin, Garber & Hautzinger, 2013) konnten kurzfristige Effekte auf die Depressionswerte im 4-Monats-Follow-up bei der LARS & LISA-Bedingung im Vergleich zu den anderen beiden Bedingungen erfasst werden. Bei den nachfolgenden Follow-up-Messungen war dieser Unterschied jedoch nicht mehr signifikant.
Auf Basis einer Untersuchung in Bezug auf Geschlechterunterschiede (Pössel, Adelson & Hautzinger, 2011) wurde in der aktuellen Version von LARS & LISA darauf geachtet, dass sich insbesondere auch männliche Jugendliche vom Programm angesprochen fühlen. Eine neuere Studie in Deutschland (Pössel, Gaskins, Gu & Hautzinger, 2022) untersuchte den Einfluss von Migrationshintergrund auf die Wirkung von Depressionsprävention. Die depressiven Symptome der weiblichen Jugendlichen nahmen erwartungsgemäss in der Interventions- jedoch nicht in der Kontrollgruppe ab. Die männlichen Jugendlichen profitierten nicht vom Programm; unabhängig davon, in welcher Gruppe die Jugendlichen waren, nahm die depressive Symptomatik von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Verlauf der Zeit zu.
Eine Übersicht über die Entwicklungsgeschichte von LARS & LISA und die empirischen Befunde findet sich in Pössel, Smith und Alexander (2018).
Das Förderprogramm war auch Bestandteil der systematischen Literaturübersicht über schulbasierte Massnahmen in der Sekundarstufe I von Casale, Hennemann und Hövel (2014). Auf Basis der Literaturrecherche wurden 28 Trainingsprogramme im deutschsprachigen Raum zusammengestellt, wobei die meisten der Massnahmen als universelle Prävention einsetzbar sind (n = 23). Dem Programm LARS & LISA wird in dieser Übersicht die Evidenzstufe II zugeordnet.
Literatur
- Abramson, L. Y., Seligman, M. E. P. & Teasedale, J. D. (1978). Learned helplessness in humans: critique and reformulation. Journal of Abnormal Psychology, 87, 49 – 74. https://doi.org/10.1037/0021-843X.87.1.49
- Beck, A. T. (1967). Depression: Clinical, experimental, and theoretical aspects. New York: Harper & Row.
- Casale, G., Hennemann, T., & Hövel, D. (2014). Systematischer Überblick über deutschsprachige schulbasierte Maßnahmen zur Prävention von Verhaltensstörungen in der Sekundarstufe I. Empirische Sonderpädagogik, 6(1), 33-58. DOI: 10.25656/01:9244
- Dodge, K. A. (1986). A social information processing model of social competence in children. In M. Perlmutter (Ed.), Eighteenth Annual Minnesota Symposium on Child Psychology (pp.77 – 125). Hillsdale, NJ: Erlbaum.
- Dodge, K. A. (1993). Social-cognitive mechanisms in the development of conduct disorder and depression. Annual Review of Psychology, 44, 559 – 584. https://doi.org/10.1146/annurev.ps.44.020193.003015
- Groen, G., Al-Wiswasi, S., Petermann, F. & Pössel, P. (2003). Universelle, schulbasierte Prävention der Depression im Jugendalter: Ergebnisse einer Follow-up-Erhebung nach elf Monaten. Kindheit und Entwicklung, 12, 164 – 174. https://doi.org/10.1026//0942-5403.12.3.164
- Pössel, P., Adelson, J. L. & Hautzinger, M. (2011). A randomized trial to evaluate the course of effects of a program to prevent adolescent depressive symptoms over 12 months. Behaviour Research and Therapy, 49, 838 – 851. https://doi.org/10.1016/j.brat.2011.09.010
- Pössel, P., Horn, A. B. & Hautzinger, M. (2006). Vergleich zweier schulbasierter Präventionsprogramme von depressiven Symptomen bei Jugendlichen. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 35(2), 109 – 116. https://doi.org/10.1026/1616-3443.35.2.109
- Pössel, P., Horn, A. B., Groen, G. & Hautzinger, M. (2004). School-based Universal Primary Prevention of Depressive Symptoms in Adolescents: Results of a 6-Month Follow-up. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 43, 1003 – 1010. https://doi.org/10.1097/01.chi. 0000 126975.56955.98
- Pössel, P., Gaskins, J., Gu, T., & Hautzinger, M. (2022). Migration Background, Gender, and the Prevention of Depressive Symptoms: A Secondary Analysis. The Counseling Psychologist, 50(2), 150-176.
- Pössel, P., Martin, N. C., Garber, J. & Hautzinger, M. (2013). A randomized controlled trial of a cognitive-behavioral program for the prevention of depression in adolescents compared to nonspecific and no-intervention control conditions. Journal of Counseling Psychology, 60, 432 – 438. https://doi.org/10.1037/a0032308
- Pössel, P., Seemann, S. & Hautzinger, M. (2008). Impact of comorbidity in prevention of adolescent depressive symptoms. Journal of Counseling Psychology, 55, 106 – 117. https://doi.org/10.1037/0022-0167.55.1.106
- Pössel, P., Smith, E. & Alexander, O. (2018). LARS&LISA: A universal school-based cognitive-behavioral program to prevent adolescent depression. Psicologia: Reflexão e Crítica/Psychology: Research and Review, 31(1), 23. https://doi.org/10.1186/s41155-018-0104-1
- Pössel, P., & Hautzinger, M. (2022). Trainingsprogramm zur Prävention von Depressionen bei Jugendlichen: LARS & LISA: Lust an realistischer Sicht und Leichtigkeit im sozialen Alltag. 2. Aufl. Hogrefe Verlag. https://doi.org/10.1026/02963-000
- Wahl, M. S., Adelson, J. L., Patak, M. A., Pössel, P. & Hautzinger, M. (2014). Teachers or psychologists: Who should facilitate depression prevention programs in schools? International Journal of Environmental Research and Public Health, 11, 5294 – 5316. https://doi.org/10.3390/ijerph110505294
- Wahl, M.S., Patak, M.A., Hautzinger, M. (2012). Lehrer als Trainer von schulbasierten Präventionsprogrammen für sozial benachteiligte Jugendliche – Erfahrungen mit einem Programm zur Förderung von Lebenskompetenzen und Emotionsregulation. Prävention und Gesundheitsförderung, 7(2), 107-114. https://doi.org/10.1007/s11553-012-0329-2
- Zhou, X., Hetrick, S. E., Cuijpers, P., Qin, B., Barth, J., Whittington, C. J. et al. (2015). Comparative efficacy and acceptability of psychotherapies for depression in children and adolescents: A systematic review and network meta-analysis. World Psychiatry, 14, 207 – 222. https://doi.org/10.1002/wps.20217
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Letzte Änderung: 11/2025
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