Fördermassnahmen
Stressbewältigung im Jugendalter. Ein Trainingsprogramm. (Stress nicht als Katastrophe erleben; SNAKE)
von Anke Beyer und Arnold Lohaus (2018)
Einsatzbereich
- Jugendliche der 8. & 9. Klasse
- Gruppentraining (Schulklassen Aufteilung in zwei Kleingruppen) und als Einzeltraining möglich
- Universelle und selektive Prävention
Qualitätskriterien
Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Evaluation | |
---|---|---|---|
Bewertung | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis |
Erläuterung | Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. | Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. | Überzeugende Belege zur Wirksamkeit. |
Inhalt
Das Stressbewältigungsprogramm wurde entwickelt, um Jugendliche dabei zu unterstützen, aktuelle Belastungssituationen besser zu bewältigen und sie auf den Umgang mit zukünftigen Stresssituationen vorzubereiten, um rechtzeitig ein anforderungsgerechtes Bewältigungspotenzial aufzubauen.
Das Stressbewältigungsprogramm richtet sich an Jugendliche der 8. und 9. Klasse im Alter von etwas 13 bis 15 Jahren. In der Regel wird das Training im Schulsetting angeboten und lässt sich gut im Schulalltag integrieren. Aufgrund der Grösse von Schulklassen empfiehlt sich die Aufteilung in zwei Klassenhälften. Gemäss den Erfahrungen ist es auch im therapeutischen Rahmen als Einzeltraining durchführbar.
Das Trainingsprogramm ist modulartig aufgebaut. Es gibt ein Basismodul und drei Ergänzungsmodule. Das Basismodul und die drei Ergänzungsmodule umfassen jeweils 4 Sitzungen à jeweils 90 Minuten, so dass insgesamt 16 Sitzungen zur Verfügung stehen. Meist wird das Basismodul mit einem der drei Ergänzungsmodule kombiniert, so dass der Umfang des Trainings 8 Sitzungen beträgt.
Das Programm startet mit dem Basismodul. Hier werden fünf Problemlöseschritte anhand des Modells der Stressschlange «SNAKE» erarbeitet, die dem Programm gleichzeitig den Namen gibt («Stress nicht als Katastrophe erleben – SNAKE»). Die Stressschlange “SNAKE” “verdaut” ein Problem mit Hilfe der Problemlöseschritte:
- Problemdefinition: Stopp – Was ist das Problem?
- Lösungssuche: Welche Lösungen gibt es?
- Lösungsauswahl: Was ist die beste Lösung?
- Realisierung der ausgewählten Lösung: Jetzt geht es los!
- Bewertung des Handlungsergebnisses: Hat es funktioniert?
Der Problemlöseansatz wird durch eine von drei optionalen Ergänzungsmodulen ergänzt, zu den Themen:
- „Gedanken und Stress“ (Kognitive Strategien): Hier wird die Rolle der individuellen Bewertung einer Situation bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Stress vertieft.
- „Soziale Unterstützung“: Hier wird die Suche nach sozialer Unterstützung als Stressbewältigungsstrategie thematisiert.
- „Entspannung und Zeitmanagement“: Hier steht die Vermittlung von Ruhe und Entspannung als Stressbewältigungsstrategie an.
Die Erweiterungsmodule sind so gestaltet, dass sie – abgesehen von der Vermittlung des Problemlöseansatzes – weitgehend unabhängig voneinander einsetzbar sind.
Durchführbarkeit
Das Trainingsmanual beinhaltet eine ausführliche Dokumentation des Programms. Nach einer groben Kurzübersicht über das Basis- sowie die Ergänzungsmodule alle Trainingssitzungen detailliert und ausführlich beschrieben.
Es enthält sämtliche Übungsbeschreibungen und Instruktionen als Kopiervorlagen. Die Arbeitsmaterialien sind bei der Print-Version zudem auf einer beiliegenden CD-ROM vorhanden.
Theoretische Fundierung
Im ersten Kapitel wird der theoretische Hintergrund des Trainings beschrieben. Die theoretische Grundlage des Stresspräventionsprogrammes für Jugendliche bildet das transaktionale Stressmodell von Lazarus (1966) und es wird zwischen Anforderungen und Belastungen unterschieden, wobei eine Anforderung erst aufgrund subjektiver Bewertungsprozesse zu einer Belastung wird.
Das Basismodul im Trainingsprogramm orientiert sich am Problemlöseansatz (z.B. D’Zurilla & Goldfried, 1971; Kämmerer, 1983), da sich die aktive Vermittlung von Problemlösekompetenzen die günstigsten Ergebnisse in Bezug auf die Reduktion von Stresserleben und -symptomatik zeigten.
Das Stresspräventionsprogramm basiert zudem auf einer empirischen Bedarfsanalyse (Klein-Heßling et al., 2003), welche zum Ziel hatte, Informationen zur Stresssymptomatik bei Jugendlichen zu gewinnen und zu erörtern, ob und in welcher Form Jugendliche Bedarf an einem Stresspräventionsprogramm haben. Auf Basis der Ergebnisse wurde abgeleitet, dass bei vielen Jugendlichen Interesse an einem Stressbewältigungsprogramm besteht und auch die Angaben zur Stresssymptomatik und Bewältigungsstrategien ein Bedarf besteht.
Evaluation
Die Wirksamkeit des Stressbewältigungsprogramms konnte in mehreren Evaluationsstudien nachgewiesen werden.
In einer Evaluationsstudie untersuchten Beyer und Lohaus (2005) insgesamt 18 Trainingsklassen und 14 Kontrollklassen. Die 461 Trainingsteilnehmenden stammten aus vier Schulen aus Hessen und Nordrhein-Westfalen mit einem Durchschnittsalter von M = 14.33 Jahren (SD = .74). In der Kontrollgruppe (ohne Training) nahmen 339 Jugendliche mit einem mittleren Alter von M = 14.63 Jahren (SD =.80) teil. Das Studiendesign umfasste einen Vortest vor Trainingsbeginn, einen Nachtest nach Trainingsende (nach 8 Wochen) und ein Follow-up zwei Monate später. Die Ergebnisse zeigten bei den Jugendlichen der Trainingsgruppe deutliche Wissensverbesserungen in Bezug auf die Definition von Stressauslösern, Stressreaktionen und Stressbewältigung sowie Veränderungen in der Bewertung von stresserzeugenden Situationen. Beim aktiven Coping zeigte sich tendenziell eine Zunahme.
Neben der Wirksamkeit wiesen die Ergebnisse auf eine hohe Akzeptanz des Programms durch die Jugendlichen hin. Etwa zwei Drittel der Jugendlichen (63,8%) beurteilten das Training als gut bis sehr gut. Auch die Stimmung in den Trainingsgruppen wurde von einem grossen Teil der Jugendlichen (75,3%) als gut bis sehr gut bewertet. Etwa ein Viertel der befragten Jugendlichen nahm eine eher skeptische Haltung ein.
Darüber hinaus wurden in der Studie die drei verschiedenen Modulkombinationen verglichen: Bei der Kombination mit Fokus auf kognitive Strategien zeigte sich, dass die Jugendlichen dieser Trainingsgruppe vermehrt positive Gedanken in Stresssituationen nutzten und kognitive Strategien zur Stressbewältigung einsetzten. Die ungünstigsten Evaluationsergebnisse zeigten sich für die Modulkombination mit Entspannung. In Bezug auf den Schultyp konnten keine eindeutigen Schlussfolgerungen gezogen werden, das Programm zeigte bei allen Schultypen (Gymnasium, Haupt- und Realschule) kleine positive Effekte. Bei den Geschlechtsunterschieden zeigte sich, dass die besten Ergebnisse für homogene Mädchengruppen erreicht wurden und sich für homogene Jungengruppen die ungünstigsten Effekte zeigten. Bei den Fremdeinschätzungen durch Eltern und Lehrpersonen zeigten sich keine Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe.
In einer weiteren Evaluationsstudie (Fridrici & Lohaus, 2007) wurde das schulbasierte Stressmanagementtraining durch ein begleitendes Internetangebot ergänzt. Insgesamt nahmen 267 Jugendliche teil: 127 Jugendliche mit Nutzung einer begleitenden Internetseite, 140 ohne begleitende Internetseite, 91 Jugendliche als Kontrollgruppe ohne Intervention. Mit dem begleitenden Internetangebot konnte ein höherer Wissenszuwachs und eine deutliche Zunahme der Trainingszufriedenheit festgestellt werden. Es zeigten sich jedoch keine Effekte auf distale Kriterien wie Stressvulnerabilität, Bewältigungsverhalten und Symptomatik.
Zudem wurde in einer Studie (Fridrici & Lohaus, 2009) ein rein internetbasiertes Training untersucht und es zeigte sich, dass bei der Nutzung des E-Learning-Programms die Effekte nah an diejenigen des klassischen Trainings heranreichten.
Schliesslich wurde in einer weiteren Studie ein Kombinationsmodul untersucht (Lohaus, Fridrici & Maass, 2009). Die Optimierung bestand darin, dass die Elemente des klassischen Trainings mit einer begleitenden Internetseite ergänzt wurden. An dieser Studie nahmen 372 Jugendliche der 8. und 9. Klasse teil, davon waren 182 in der Trainings- und 190 in der Kontrollgruppe. Es konnten eine deutliche Zunahme des Wissens, des Selbstwirksamkeitserlebens und Reduktionen der Stresssymptomatik festgestellt werden und das optimierte Training wurde überwiegend positiv bewertet.
Literatur
- Beyer, A. & Lohaus, A. (2005). Stressbewältigung im Jugendalter: Entwicklung und Evaluation eines Präventionsprogramms. Psychologie in Erziehung und Unterricht. 52(1), 33-50.
- Beyer, A. & Lohaus, A. (2018). Stressbewältigung im Jugendalter. Ein Trainingsprogramm (2. überarb. Aufl.). Hogrefe.
- D’Zurilla, T. J. & Goldfried, M. R. (1971). Problem solving and behavior modification. Journal of Abnormal Psychology, 78(1), 107–126. https://doi.org/10.1037/h0031360
- Fridrici, M. & Lohaus, A. (2007). Stressprävention für Jugendliche: Verbessert ein begleitendes e-Learning-Angebot die Effekte eines Trainingsprogramms? Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 15, 95 – 108. https://doi.org/10.1026/0943-8149.15.3.95
- Fridrici, M. & Lohaus, A. (2009). Stress-Prevention in Secondary Schools: Online- versus Face-to-Face-Training. Health Education., 109(4), 299–313. https://doi.org/10.1108/09654280910970884
- Fridrici, M., Lohaus, A., & Glass, C. (2009). Effects of incentives in web-based prevention for adolescents: Results of an exploratory field study. Psychology and Health, 24(6), 663-675. https://doi.org/10.1080/08870440802521102
- Kämmerer, A. (1983). Die therapeutische Strategie „Problemlösen“. Theoretische und empirische Perspektiven ihrer Anwendung in der Kognitiven Psychotherapie. Aschendorff.
- Klein-Heßling, J., Lohaus, A. & Beyer, A. (2003). Gesundheitsförderung im Jugendalter: Attraktivität von Stressbewältigungstrainings. Zeitschrift für Gesundheitswissenschaft, 11, 364–379. http://doi.org/10.1007/BF02957776
- Lazarus, R. S. (1966). Psychological stress and the coping process. McGraw Hill.
- Lohaus, A., Fridrici, M., & Maass, A. (2009). Stressprävention im Jugendalter: Effekte eines Trainingsprogramms mit Internetbegleitung. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 17(1), 13-21. https://doi.org/10.1026/0943-8149.17.1.13
Haben wir etwas übersehen? Melden Sie sich gerne unter wiwawi@hfh.ch.
Letzte Änderung: 09/2024