Fördermassnahmen
Mengen, zählen, Zahlen. Die grosse Förderbox
von Kristin Krajewski, Gerhild Nieding und Wolfgang Schneider (2007)
Einsatzbereich
- Kindergarten bis 1. Klasse (Das Trainingsprogramm eignet sich auch für ältere Kinder, welche die basisnumerischen Kompetenzen noch nicht oder nur ansatzweise erreicht haben)
- Kleingruppe oder Einzelförderung
- Selektive und indizierte Prävention
Qualitätskriterien
Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Evaluation | |
---|---|---|---|
Bewertung | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis | Halb gefüllter Kreis |
Erläuterung | Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. | Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. | Belege für nahe und kurzfristige, jedoch nicht konsistent auch für längerfristige und ferne Transfereffekte. |
Inhalt
Das Förderprogramm «Mengen, zählen, Zahlen» (MZZ) hat zum Ziel mit Kindern die mathematischen Vorläuferfertigkeiten zu erarbeiten, welche die Basis für Rechenfertigkeiten bilden. MZZ baut systematisch die Mengen-Zahlen-Kompetenzen von Kindern im Zahlenraum 10 auf, indem es mittels Darstellungsmittel die abstrakte Struktur der Zahlen greif- und sichtbar macht.
Das Programm kann im Einzelsetting oder in der Kleingruppe durchgeführt werden. Um besonders schwache Kinder optimal fördern zu können, empfehlen die Autor:innen eine maximale Gruppengrösse von vier bis sechs Kindern.
Der zeitliche Umfang beträgt total 24 halbstündige Sitzungen während acht Wochen. Das Handbuch beinhaltet einen detaillierten Zeitplan inkl. Zuteilung, an welchem Tag welche Übung durchgeführt wird. Aufgrund des systematischen Aufbaus ist diese Abfolge einzuhalten.
Ausgehend von der Theorie von Resnick (1989) und dem daraus folgenden Entwicklungsmodell früher mathematischer Kompetenzen nach Krajewski (2007), welche im Theorieteil beschrieben werden, wurden folgende drei Schwerpunkte entwickelt:
- Zahlen als Anzahlen: Der Schwerpunkt der ersten zwei Wochen liegt auf dem Zählen und den Ziffern bis 10, sowie der Erkenntnis, dass Zahlen Mengen repräsentieren.
- Anzahlordnung: In den darauffolgenden vier Wochen wird das Verständnis der Zahlen als Folge aufsteigender Anzahlen erarbeitet. Die Kinder gelangen zur Einsicht, dass Zahlen aufgrund ihrer Mächtigkeit (Anzahl) in eine Reihenfolge gebracht und miteinander verglichen werden können.
- Teil-Ganzes-Beziehung und Anzahlunterschiede: Während den letzten zwei Wochen liegt der Fokus auf den Beziehungen der Zahlen. Die Kinder erkennen, dass Zahlen (Ganze) in andere Zahlen (Teile) zerlegt und wieder zusammengesetzt werden können und dass die Differenz zwischen zwei Zahlen wieder eine Zahl ist.
Durchführbarkeit
Das Förderprogramm enthält nebst den didaktischen Materialien eine Konzeptionsbeschreibung, sowie eine Handreichung zur Durchführung der Förderung, in welcher der Zeitplan und die einzelnen Übungen beschrieben sind.
Das Förderprogramm sollte in der vorgegebenen Reihenfolge und möglichst nach Zeitplan bearbeitet werden. Zur Orientierung wird jeder der drei Schwerpunkte mit einem Hauptziel, mehreren Teilzielen und Leitfragen eingeleitet. Die einzelnen Übungen werden detailliert beschrieben und umfassen folgende Informationen: das benötigte Material, die Vorbereitung, die Ziele und dazugehörigen Leitfragen. Der Abschnitt Durchführung umfasst ein detailliertes Skript mit Handlungsanweisungen und Formulierungen der Lehrperson und der Kinder. Das benötigte Material wie Karten mit Mengendarstellungen, Holzchips, Zahlenstreifen, Zahlenhaus und Zahlentreppe befindet sich in der Förderbox. Die Fördereinheit endet mit einer kurzen Zusammenfassung. Einige der Übungen werden an manchen Tagen komplett wiederholt. Diese Wiederholungen sind bewusst gestaltet und dienen der Festigung neu erworbener Kompetenzen.
Mithilfe der Materialien kann die Struktur der Zahlen anschaulich dargestellt und verdeutlich werden. Die Kinder werden zudem angeleitet zu beschreiben, was sie sehen und ihre Erkenntnisse zu verbalisieren mit dem Ziel sich die Gesetzmässigkeiten auch über die Sprache bewusst zu machen.
Gasteiger (2010) merkt kritisch an, dass das Trainingsprogramm eher starr und schematisch angelegt ist. Da die entwickelten Vorstellungen von kardinalen und ordinalen Zahlen stark an dem verwendeten Material, den damit verbundenen Handlungen und den klar definierten Formulierungen orientiert sind, könnte dies ein flexibles Verständnis von Zahlen behindern (Benz et al., 2015).
Theoretische Fundierung
Basierend auf der Theorie von Resnick (1989) entwickelte Krajewski (2007) ein Entwicklungsmodell früher mathematischer Kompetenzen, welches als Leitfaden für das Förderprogramm fungierte. Das Entwicklungsmodell früher mathematischer Kompetenzen umfasst folgende drei Ebenen:
- Kompetenzebene I: Ausbildung numerischer Basisfertigkeiten. Die Kinder nehmen Mengenunterschiede wahr und Zählen in der richtigen Reihenfolge. Das Grössen- und Zahlwortverständnis entwickeln sich unabhängig voneinander und werden noch nicht miteinander in Verbindung gebracht.
- Kompetenzebene II: Erwerb des Anzahlkonzepts. Die Kinder erkennen, dass Zahlen eine Menge repräsentieren, sich Mengen verändern können und sich eine Menge in unbestimmte kleinere Mengen teilen und zusammensetzen lassen können.
- Kompetenzebene III: Verständnis für Anzahlrelationen. Die Kinder erlangen die Einsicht, dass sich Mengen in bestimmte (An)zahlen teilen und zusammensetzen lassen und die Differenz zwischen zwei (An)zahlen wieder eine (An)zahl ist.
Das Entwicklungsmodell früher mathematischer Kompetenzen von Krajewski (2007) ist in der Fachwissenschaft anerkannt und findet sich in diverser Fachliteratur wieder (Benz et al., 2015; Häsel-Weide, 2016).
Evaluation
Die erste Version des Förderprogramms wurde in einer langzeitlich angelegten Pilotstudie mit 260 Vorschulkindern (Kindergarten) auf seine Wirksamkeit überprüft (Krajewski et al., 2008). Die Kinder wurden in drei Gruppen aufgeteilt, wobei eine Gruppe mit MZZ gefördert wurde, eine Gruppe ein allgemeines Denktraining nach Klauer erhielt und die dritte Gruppe als Kontrollgruppe teilnahm. Die Ergebnisse zeigten, dass diejenige Gruppe, die mittels MZZ gefördert wurde, kurz- und langfristig einen grösseren Zugewinn im Bereich der Mengen-Zahlen-Kompetenzen erzielte, mit geringen Effektstärken von d = 0.25 und d = 0.34. Die relativ kleine Effektstärke erklären sich die Autor:innen mit dem möglicherweise raschen Zuwachs in den Mengen-Zahlen-Kompetenzen aufgrund der natürlichen Entwicklung (Zeiteffekt). Es konnten keine Transfer-Effekte der MZZ-Förderung auf die Mathematikleistungen nachgewiesen werden. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die MZZ-Förderung bereits neun Monate vor Beginn des regulären Mathematikunterrichts stattfand. Obwohl die positiven Effekte auf mathematische Vorläuferfertigkeiten langfristig bestehen blieben, könnte die lange Wartezeit zwischen dem Training und der Anwendung des Gelernten den Transfer erschwert haben. Daraus leiten die Autor:innen folgende Interpretation ab: Um einen erfolgreichen Transfer der MZZ-Förderung auf die schulischen Mathematikleistungen zu ermöglichen, sollte die Förderung näher am Schulanfang platziert werden.
Ennemoser und Krajewski (2007) untersuchten eine Stichprobe von 30 rechenschwachen Erstklässler:innen, welche im standardisierten Test DEMAT 1+ (Krajewski et al. 2002) einen Prozentrang unter 25 erreichten. Davon wurden 15 Schüler:innen im Bereich Teil-Ganzes-Prinzip in sechs Sitzungen à 45 Minuten während drei Wochen gefördert. Die 15 Kontrollkinder erhielten ein Lesetraining. Nach Abschluss der Förderung zeigte die Trainingsgruppe einen signifikant grösseren Leistungszuwachs als die Kontrollgruppe, bei mittlerer Effektstärke von 0.58. Aufgrund der fehlenden Follow-up-Erhebung bleibt unklar, ob die Förderung auch langfristige Effekte bewirkte.
Hasselhorn und Linke-Hasselhorn (2013) untersuchten acht sechsjährige Kinder mit unzureichenden mathematischen Vorläuferfertigkeiten, die aufgrund allgemeiner kognitiver und sozial-emotionaler Kriterien nicht regulär in die Schule eintraten, sondern die Vorschulklasse der Grundschule besuchten. Vier Kinder erhielten während acht Wochen in 24 halbstündigen Trainingseinheiten das vollständige MZZ-Förderprogramm. Mit einem Pretest-Posttest-Kontrollgruppendesign wurde die Wirksamkeit des Trainings mit einer grossen Effektstärke (d = 4.6) nachgewiesen. Nach Abschluss der Intervention erhielt die Kontrollgruppe (n = 4) ein verkürztes MZZ-Training, welches die Eignung des MZZ-Programms (d = 2.5) als Mittel zur Reduzierung von frühzeitigen Zahlkompetenzdefiziten zu Beginn der formalen Schulbildung bestätigte. Die Studie beschränkt sich auf die Analyse kurzfristiger Effekte und der Transfer auf die Schulleistungen in Mathematik wurde nicht überprüft.
In der Studie von Ennemoser et al. (2015) wurden aus einer Gesamtstichprobe von 238 Erstklässler:innen mit Hilfe des damals noch nicht veröffentlichen Tests zur Erfassung mathematischer Basiskompetenzen MBK1+ (Ennemoser, et al., 2017) 64 Kinder ausgewählt, die ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer Rechenschwäche aufwiesen. Die Hälfte der Schüler:innen wurde mittels des Förderprogramms MZZ und die Kontrollgruppe wurde konventionell gefördert. Nach der fünfwöchigen Förderung zeigte die MZZ-Gruppe im Posttest (d = 0.64) und drei Monate später im Follow-up (d = 0.69) jeweils einen höheren Zuwachs an mathematischen Basiskompetenzen als die Kontrollgruppe. Der Transfer auf die nicht explizit trainierten Rechenleistungen zugunsten der MZZ-Kinder (d = 0.52) wurde erst im Follow-up sichtbar. Die Autor:innen sprechen hierbei von einem «Sleeper-Effekt», welcher besagt, dass aufgrund der verbesserten Basiskompetenzen die MZZ-Kinder stärker vom regulären Mathematikunterricht profitieren konnten.
Die Wirksamkeit des MZZ wurde über den Einsatz in Kindergarten und Regelschule hinausgehend auch im heil- und sonderpädagogischen Setting evaluiert. Sinner und Kuhl (2010) testeten an sechs Lernhilfeschulen 87 Kinder hinsichtlich ihrer mathematischen Basiskompetenzen. Basierend auf diesen Ergebnissen wurden die 40 rechenschwächsten Kinder in zwei Versuchsgruppen eingeteilt. Die Experimentalgruppe (N = 22; Ø IQ = 81) erhielt eine Förderung mit dem MZZ, während die Kontrollgruppe (N = 18; Ø IQ = 77) mit dem Denktraining nach Klauer gefördert wurde. Beide Gruppen absolvierten insgesamt zwölf Förderstunden von jeweils 40 Minuten über einen Zeitraum von sechs Wochen. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Experimentalgruppe in ihren mathematischen Basiskompetenzen nach der Förderung signifikant stärker verbesserte als die Kontrollgruppe, mit mittlerer Effektstärke (d = 0.56). Besonders im Bereich des Anzahlkonzepts (Kardinalzahlverständnis) wurde eine deutliche Steigerung festgestellt, welches laut Krajewski und Simanowski (2016) dem wichtigsten Meilenstein in der numerischen Entwicklung entspricht. Allerdings hielten die positiven Effekte über einen Zeitraum von vier Monaten nicht an und ein Transfer auf einfache Rechenoperationen konnte ebenfalls nicht nachgewiesen werden.
Kuhl et al. (2012) untersuchten Kinder mit einer intellektuellen Beeinträchtigung. Basierend auf ihren kognitiven und mathematischen Fähigkeiten wurden 25 Kinder mit intellektueller Beeinträchtigung einer von zwei experimentellen Bedingungen zugewiesen. Die Trainingsgruppe erhielt Förderung mit MZZ, während die Kontrollgruppe ein Sprachfördertraining erhielt. Die Ergebnisse des Posttests zeigten, dass die Zuwächse in der mathematischen Kompetenz in der MZZ-Trainingsgruppe grösser waren als in der Kontrollbedingung (d = 0.44). Allerdings konnte die MZZ-Trainingsgruppe ihren Kompetenzzuwachs bis zur Nachuntersuchung drei Monate später nicht aufrechterhalten.
Literatur
- Benz, C., Peter-Koop, A. & Grüssing, M. (2015). Frühe mathematische Bildung: Mathematiklernen der Drei- bis Achtjährigen (Mathematik Primarstufe und Sekundarstufe I + II). Springer Spektrum.
- Ennemoser, M. & Krajewski, K. (2007). Effekte der Förderung des Teil-Ganzes-Verständnisses bei Erstklässlern mit schwachen Mathematikleistungen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 76(3), 228–240.
- Ennemoser, M., Krajewski, K. & Sinner, D. (2017). MBK1+. Test mathematischer Basiskompetenzen ab Schuleintritt. Hogrefe.
- Ennemoser, M., Sinner, D. & Krajewski, K. (2015). Kurz- und langfristige Effekte einer entwicklungsorientierten Mathematikförderung bei Erstklässlern mit drohender Rechenschwäche. Lernen und Lernstörungen, 4(1), 43–59. https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000091
- Gasteiger, H. (2010). Elementare mathematische Bildung im Alltag der Kindertagesstätte: Grundlegung und Evaluation eines kompetenzorientierten Förderansatzes (Empirische Studien zur Didaktik der Mathematik). Waxmann.
- Häsel-Weide, U. (2016). Vom Zählen zum Rechnen: Struktur-fokussierende Deutungen in kooperativen Lernumgebungen (Dortmunder Beiträge zur Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts). Springer Spektrum.
- Hasselhorn, M. & Linke-Hasselhorn, K. (2013). Fostering Early Numerical Skills at School Start in Children at Risk for Mathematical Achievement Problems: A Small Sample Size Training Study. International Education Studies, 6(3), 213–220. https://doi.org/10.5539/ies.v6n3p213
- Krajewski, K. (2007). Prävention der Rechenschwäche (Pädagogische Psychologie). In W. Schneider & M. Hasselhorn (Hrsg.), Handbuch der Psychologie (Band 10, S. 360–370). Hogrefe.
- Krajewski, K., Küspert, P. & Schneider, W. (2002). Deutscher Mathematiktest für erste Klassen (DEMAT 1+) (1. Auflage.). Beltz.
- Krajewski, K., Nieding, G. & Schneider, W. (2007). Mengen, zählen, Zahlen: die Welt der Mathematik verstehen: die große Förderbox (1. Auflage). Cornelsen.
- Krajewski, K., Nieding, G. & Schneider, W. (2008). Kurz- und langfristige Effekte mathematischer Frühförderung im Kindergarten durch das Programm „Mengen, zählen, Zahlen”. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 40(3), 135–146. https://doi.org/10.1026/0049-8637.40.3.135
- Krajewski, K. & Simanowski, S. (2016). Entwicklungsorientierte Prävention von und Intervention bei Rechenschwäche mit „Mengen, zählen, Zahlen“ (MZZ) (Tests und Trends-Jahrbuch der pädagogisch-psychologischen Diagnostik). In W. Schneider & M. Hasselhorn (Hrsg.), Förderprogramme für Vor- und Grundschule (S. 49–67). Hogrefe.
- Kuhl, J., Sinner, D., & Ennemoser, M. (2012). Training Quantity–Number Competencies in Students With Intellectual Disabilities. Journal of Cognitive Education and Psychology, 11(2), 128–142. https://doi.org/10.1891/1945-8959.11.2.128
- Resnick, L. B. (1989). Developing mathematical knowledge. American Psychologist, 44(2), 162–169. https://doi.org/10.1037/0003-066X.44.2.162
- Sinner, D. & Kuhl, J. (2010). Förderung mathematischer Basiskompetenzen in der Grundstufe der Schule für Lernhilfe. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 42(4), 241–251. https://doi.org/10.1026/0049-8637/a000026
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Letzte Änderung: 05/2025
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