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Fördermassnahmen

Hören, lauschen, lernen. Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter. Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache

von Petra Küspert und Wolfgang Schneider (2018)

Einsatzbereich

  • 5- bis 6-jährige Kindergartenkinder im letzten Halbjahr vor Schuleintritt
  • Gruppentraining
  • Universelle, selektive und indizierte Prävention

Qualitätskriterien

Durchführbarkeit Theoretische Fundierung Evaluation
Bewertung Gefüllter Kreis Gefüllter Kreis Gefüllter Kreis
Erläuterung Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. Überzeugende Belege zur  Wirksamkeit.

Inhalt

Das Trainingsprogramm wurde für Vorschulkinder konzipiert und zielt darauf ab, Kindern die Struktur der gesprochenen Sprache näherzubringen, um den nachfolgenden Schriftspracherwerb zu erleichtern.

Das Programm richtet sich an Kindergartenkinder im letzten Halbjahr vor Schuleintritt. Hierzu gehören auch Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache und Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen.

Es wird in Kleingruppen durchgeführt und erstreckt sich bei isolierter Durchführung über 20 Wochen. Täglich werden Übungen von 15 bis 20 Minuten durchgeführt.

Das Programm umfasst Spiele und Übungen in sechs aufeinander aufbauenden Bereichen:

  1. Lauschspiele: Die Kinder richten ihre Aufmerksamkeit auf Geräusche und Laute aus ihrer Umgebung (z.B. Wind, Autos, Hundegebell, Herzschlag).
  2. Reime: Den Kindern wird bewusst gemacht, dass Sprache nicht nur einen Inhalt und eine Bedeutung, sondern auch eine Form hat. Es werden Kinderreime und kleine Gedichte gelernt sowie Quatschreime ausgedacht.
  3. Sätze und Wörter: Die Kinder entdecken, dass das, was gesagt wird, in kleinere Einheiten aufgeteilt werden kann, indem beispielsweise von Sätzen die Anzahl Wörter mit Bauklötzen gelegt wird.
  4. Silben: In diesen Übungen werden Wörter geklatscht (Analyse) und Wörter aus vorgesprochenen Einzelsilben (z.B. Ba-na-ne) erraten (Synthese).
  5. Anlaute: Die Kinder lernen herauszuhören, mit welchem Laut ein Wort beginnt.
  6. Phoneme (Laute): Es werden einzelne Laute zu einem Wort zusammengezogen (Synthese). Hierzu können sich die Kinder beim Sprechen im Spiegel betrachten, um ihre sich verändernde Mundstellung zu beobachten. Dann werden auch Wörter in Einzellaute zerlegt (Analyse), wobei Bauklötze als Hilfsmittel eingesetzt werden.

Das Trainingsprogramm kann mit einem Buchstaben-Laut-Training kombiniert werden. Dafür wurde «Hören, lauschen, lernen 2 – Spiele mit Buchstaben und Lauten für Kinder im Vorschulalter» (Plume & Schneider, 2004) entwickelt. Bei dieser Kombination bleibt die Trainingsdauer von 20 Wochen mit täglichen Übungseinheiten von 10 bis 15 Minuten unverändert. Ab der elften Trainingswoche erhalten die Kinder zusätzlich zur phonologischen Bewusstheit eine Einführung in Buchstaben-Laut-Korrespondenzen und lernen spielerisch den Zusammenhang zwischen Lauten und den entsprechenden Buchstabensymbolen.

Durchführbarkeit

Das Programm besteht aus 56 Sprachspielen in den sechs Bereichen (Lauschspiele, Reime, Sätze und Wörter, Silben, Anlaute und Phoneme). Ein konkreter Trainingsplan legt die Reihenfolge der insgesamt 56 Spiele fest, die im Arbeitsbuch detailliert beschrieben sind.

Bei mehreren Spielen ist mit Bildkarten zu arbeiten. Diese sind auch unabhängig vom Arbeitsbuch in einer Box erhältlich. Für mehrere Spiele werden Bauklötze benötigt, die vorab organisiert werden müssen.

Das Programm ist grundsätzlich selbsterklärend und kann von pädagogischen Fachpersonen durchgeführt werden, die den Theorieteil sorgfältig gelesen haben, sich mit der Lautsprache vertraut gemacht haben und die Hinweise zur Durchführung beachten.

Theoretische Fundierung

Im Manual wird umfassend auf die Lese-Rechtschreibstörung (LRS) und Legasthenie eingegangen. Möglichkeiten der Förderung bei LRS werden erläutert und es wird betont, dass Interventionsmassnahmen grundsätzlich schriftnah und symptomorientiert sein sollten.

Weiter wird der Prozess des Lesens und Schreibens erklärt, und es wird die frühzeitige Vorhersage des Erfolgs beim Lesen- und Schreibenlernen besprochen. In diesem Zusammenhang wird auf die phonologische Informationsverarbeitung (Marx, 2007; Schneider, 2017) und insbesondere auf die phonologische Bewusstheit eingegangen. Die phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne bezieht die sich auf grössere Einheiten der gesprochenen Sprache, während die phonologische Bewusstheit im engeren Sinne sich auf den bewussten Umgang mit den kleinsten Einheiten der gesprochenen Sprache, den Phonemen (Lauten), bezieht (Skowronek & Marx, 1989).

Basierend auf diesen wissenschaftlich fundierten Ausführungen wird das Trainingsprogramm zur Förderung der phonologischen Bewusstheit vorgestellt.

Evaluation

Im Manual werden die Ergebnisse verschiedener Wirksamkeitsstudien vorgestellt. Ebenfalls findet sich ein Überblick beispielsweise in Schneider (2018).

Das Trainingsprogramm wurde in den frühen 1990er Jahren entwickelt, basierend auf dem skandinavischen Förderprogramm von Lundberg et al. (1988), und kontinuierlich weiterentwickelt. Seitdem hat die Würzburger Arbeitsgruppe mehrere Längsschnittstudien zur Überprüfung der Wirksamkeit durchgeführt. Diese Studien umfassten sowohl Trainingsgruppen, die ein etwa sechsmonatiges Training durchliefen, als auch Kontrollgruppen. Neben dem spezifischen Fördereffekt auf die phonologische Bewusstheit wurde auch untersucht, ob Transfereffekte auf das Lesen und Rechtschreiben feststellbar waren. Die Studien erstreckten sich über mehrere Jahre und schlossen die ersten Grundschuljahre mit ein. Dabei zeigte sich jeweils, dass sich die phonologische Bewusstheit in der Experimentalgruppe deutlich stärker verbesserte als in der Kontrollgruppe, und langfristige Transfereffekte insbesondere für das Rechtschreiben nachgewiesen wurden.

Das Trainingsprogramm wurde auch von anderen Forscher:innengruppen evaluiert (z.B. Rothe et al., 2004), darunter befindet sich auch eine Studie in Schweizer Kindergärten und in Schweizer Mundart (Blaser et al., 2007). Die Studien ergaben mehrheitlich positive Befunde.

Inzwischen gibt es zur phonologischen Bewusstheit viele einschlägige Studien, sodass Metaanalysen zur Überprüfung der Effektivität von phonologischen Bewusstheitstrainings durchgeführt wurden (Fischer & Pfost, 2015; Wolf et al., 2016).

Fischer und Pfost (2015) analysierten 19 Arbeiten mit 22 Trainings-Kontrollgruppen-Vergleichen und fanden einen mittleren Trainingseffekt auf die phonologische Bewusstheit (d = 0.36) sowie kurzfristige (d = 0.21) und langfristige (d = 0.14) Transfereffekte auf das Lesen und Rechtschreiben. Analysen zum Einfluss von Moderatoren ergaben, dass Trainings im Kindergarten höhere Effekte auf die phonologische Bewusstheit erzielten als Trainings, die im ersten Schuljahr begannen.

Wolf et al. (2016) untersuchten in ihrer Metaanalyse 27 Studien. Ihre Ergebnisse zeigten ebenfalls generell höhere Effekte für Fördermassnahmen, die vor der Einschulung stattfanden. Vorschulische Förderung zeigte keine signifikanten Effekte auf die Dekodierfähigkeit, jedoch geringe Effekte auf die Rechtschreibkompetenz. Moderatoranalysen ergaben, dass Kinder mit sowohl schwachen als auch guten Ausgangskompetenzen gleichermassen vom Programm profitierten.

Schneider (2018) folgert, dass die Befunde der Metaanalysen die Wirksamkeit der phonologischen Bewusstheitstrainings deutlich machen und dass vorschulische Fördermassnahmen bedeutsame Steigerungen dieser Kompetenz bewirken, wenn die Trainings angemessen implementiert und von pädagogischen Fachpersonen entsprechend den Hinweisen im Manual durchgeführt werden. Die Fördermassnahme wirken sowohl für Muttersprachler mit geringen Ausgangswerten als auch für Kinder mit Migrationshintergrund. Für das Rechtschreiben sind eher kleine Transfereffekte nachweisbar, während im Durchschnitt keine statistisch signifikanten Effekte auf die Lesekompetenz resultierten.

Neuere Wirksamkeitsüberprüfungen untersuchten die kombinierte Förderung von «Hören, lauschen, lernen» und dem Buchstaben-Laut-Training «Hören, lauschen, lernen 2». Die Wirksamkeit dieser Kombination konnte in mehreren Studien nachgewiesen werden, insbesondere auch für Kinder mit Migrationshintergrund (Pröscholdt et al., 2013; Schöppe et al., 2013; Souvignier et al., 2012; Weber et al., 2007) und Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen (Marx et al., 2005).

Aufgrund dieser Ergebnisse wird die Durchführung von «Hören, lauschen, lernen» in Verbindung mit den Aufbauprogramm «Hören, lauschen, lernen 2» (Plume & Schneider, 2004) empfohlen.

 

Literatur

  • Blaser, R., Preuss, U., Groner, M., Groner, R. & Felder, W. (2007). Kurz-, mittel- und längerfristige Effekte eines Trainings in phonologischer Bewusstheit und in Buchstaben-Laut-Korrespondenz auf die phonologische Bewusstheit und die Lese- und Rechtschreibleistung. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 35(4), 273–280. https://doi.org/10.1024/1422-4917.35.4.273
  • Fischer, M. Y. & Pfost, M. (2015). Wie effektiv sind Maßnahmen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit? Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 47(1), 35–51. https://doi.org/10.1026/0049-8637/a000121
  • Küspert, P. & Schneider, W. (2018). Hören, lauschen, lernen. Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter. Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache (7. kompl. überarb. Aufl.). Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Lundberg, I., Frost, J. & Petersen, O.-P. (1988). Effects of an Extensive Program for Stimulating Phonological Awareness in Preschool Children. Reading Research Quarterly, 23(3), 263–284.
  • Marx, P. (2007). Lese- und Rechtschreiberwerb. Schöningh.
  • Marx, P., Weber, J. & Schneider, W. (2005). Phonologische Bewusstheit und ihre Förderung bei Kindern mit Störungen der Sprachentwicklung. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 37(2), 80–90. https://doi.org/10.1026/0049-8637.37.2.80
  • Plume, E. & Schneider, W. (2004). Hören, lauschen, lernen 2 – Spiele mit Buchstaben und Lauten für Kinder im Vorschulalter. Würzburger Buchstaben-Laut-Training. Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Pröscholdt, M. V., Michalik, A., Schneider, W., Duzy, D., Glück, D., Souvignier, E. & Penner, Z. (2013). Effekte kombinierter Förderprogramme zur phonologischen Bewusstheit und zum Sprachverstehen auf die Entwicklung der phonologischen Bewusstheit von Kindergartenkindern mit und ohne Migrationshintergrund. Frühe Bildung, 2(3), 122–132. https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000099
  • Rothe, E., Grünling, C., Ligges, M., Fackelmann, J., & Blanz, B. (2004). Erste Auswirkungen eines Trainings der phonologischen Bewusstheit bei zwei unterschiedlichen Altersgruppen im Kindergarten. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 32(3), 167–176. https://doi.org/10.1024/1422-4917.32.3.167
  • Schneider, W. (2017). Lesen und Schreiben lernen – Wie erobern Kinder die
  • Schneider, W. (2018). Nützen Sprachförderprogramme im Kindergarten, und wenn ja, unter welcher Bedingung? Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 32(1–2), 53–74. https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000213
  • Schöppe, D., Blatter, K., Faust, V., Jäger, D., Stanat, P., Artelt, C. & Schneider, W. (2013). Effekte eines Trainings der phonologischen Bewusstheit bei Vorschulkindern mit unterschiedlichem Sprachhintergrund. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 2013, 27(4), 241–254. https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000110
  • Skowronek, H. & Marx, H. (1989). Die Bielefelder Längsschnittstudie zur Erkennung von Risiken der Lese-Rechtschreibschwäche. Heilpädagogische Forschung, 15, 38-49.
  • Souvignier, E., Duzy, D., Glück, D., Pröscholdt, M. V. & Schneider, W. (2012). Vorschulische Förderung der phonologischen Bewusstheit bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 44(1), 40–51. https://doi.org/10.1026/0049-8637/a000059
  • Weber, J., Marx, P. & Schneider, W. (2007). Die Prävention von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 21(1), 65–75. https://doi.org/10.1024/1010-0652.21.1.65
  • Wolf, K. M., Schroeders, U. & Kriegbaum, K. (2016). Metaanalyse zur Wirksamkeit einer Förderung der phonologischen Bewusstheit in der deutschen Sprache. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 30(1), 9–33. https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000165

 

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Letzte Änderung: 06/2024

 

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