Fördermassnahmen
Fit for Life – Soziale Kompetenz für Jugendliche
von Gert Jugert, Anke Rehder, Peter Notz und Franz Petermann (2016)
Einsatzbereich
- Jugendliche und junge Erwachsene (13 bis 21 Jahre)
- Gruppentraining
- Universelle und selektive Prävention
Qualitätskriterien
Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Evaluation | |
---|---|---|---|
Bewertung | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis |
Erläuterung | Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. | Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. | Überzeugende Belege zur Wirksamkeit. |
Inhalt
«Fit for Life» ist ein strukturiertes Training zur Förderung sozialer Fertigkeiten und Lebenskompetenzen bei Jugendlichen. Es zielt darauf ab, soziale Fertigkeiten zu stärken und kann auch zur Prävention von Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt werden.
Das Training richtet sich insbesondere an Jugendliche, die als sozial benachteiligt gelten. Zu dieser Zielgruppe zählen Absolvent:innen von Sonderschulen (Förderschulen), Jugendliche ohne Schulabschluss, solche mit abgebrochener Berufsausbildung, Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie Migrant:innen. Diese Personengruppen haben häufig besondere Schwierigkeiten, sich berufliche Perspektiven zu erarbeiten und ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben zu führen. Zudem sind Jugendliche von Benachteiligungen betroffen, die Defizite in ihren sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten haben.
«Fit for Life» wird in Kleingruppen durchgeführt, empfohlen werden sechs bis acht Jugendliche. Das Training erstreckt sich idealerweise über einen Zeitraum von einem halben Jahr, mit einer wöchentlichen Trainingssitzung von 90 Minuten.
Das Training umfasst insgesamt 14 thematisch unterschiedliche Module, die jeweils auf spezifische Fähigkeiten und Kompetenzen abzielen:
- Motivation: Die Jugendlichen erkennen den Nutzen des Trainings, da sie dadurch wichtige Kompetenzen für ihre berufliche und persönliche Entwicklung erwerben können.
- Feedback: Sie lernen die Bedeutung von Feedback für ihre Selbsteinschätzung kennen.
- Selbstsicherheit: Die Jugendlichen gewinnen an Selbstsicherheit im Umgang mit anderen Menschen.
- Selbstmanagement: Sie setzen sich mit ihrer eigenen Lebensführung sowie mit ihren gesundheitsfördernden und gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen auseinander.
- Kommunikation: Die Jugendlichen erfahren, dass Kommunikation sowohl verbal als auch nonverbal erfolgt und dass aktives Zuhören ein wichtiger Teil davon ist.
- Körpersprache: Sie erkennen die Bedeutung der Körpersprache als Kommunikationsmittel und erkennen, dass diese auch anfällig für Fehlinterpretationen ist.
- Kooperation und Teamfähigkeit: Hier erlernen die Jugendlichen Kooperation und Teamfähigkeit und erfahren, wie man mit Grenzen der Teamarbeit umgehen kann.
- Lebensplanung: Die Jugendlichen erkennen die Bedeutung eigenverantwortlicher und selbstständiger Lebensplanung.
- Beruf und Zukunft: Sie setzen sich mit ihren beruflichen Vorstellungen und Wünschen auseinander.
- Gefühle: Sie lernen, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen, auszudrücken und zu regulieren.
- Fit für Konflikte I: Die Jugendlichen unterscheiden zwischen Konflikt und Streit und lernen, dass Konflikte zum Leben gehören. Sie erfahren, wie wichtig es ist, zwischen Person und Problem zu unterscheiden.
- Fit für Konflikte II: Die Jugendlichen verstehen, dass hinter Konflikten oft Interessen, Bedürfnisse und Ängste stehen, die den Inhalt und Verlauf eines Konflikts beeinflussen.
- Einfühlungsvermögen: Sie lernen, die Meinungen, Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen wahrzunehmen und zu verstehen.
- Lob und Kritik: Die Jugendlichen entwickeln einen angemessenen Umgang mit Misserfolgen, stärken ihre Selbstwirksamkeit und verbessern ihre Frustrationstoleranz gegenüber Kritik.
Das Training setzt hauptsächlich auf strukturierte Rollenspiele, Verhaltensübungen, den Einsatz von Videos, Belohnungen, soziale Verhaltensregeln und Feedback. Jede Trainingsstunde folgt demselben Ablauf: Stimmungsrunde, Besprechung von Regeln, Konzentrationsübung/Warm-up, Bearbeitung eines Trainingsinhaltes, Auswertung und Transfer, Regeleinhaltung sowie eine Abschlussrunde.
Über das Trainingsprogramm «Fit for Life» hinaus gibt es das Training «Fit für kulturelle Vielfalt» (Jugert et al., 2014), welches besonderen Wert auf die Förderung der interkulturellen Kompetenz im Zusammenleben von in- und ausländischen Jugendlichen legt.
Durchführbarkeit
Das Training bietet zahlreiche Arbeitsbögen zu allen Modulen, die als kopierfähiges Lehrmaterial verwendet werden können (Jugert et al., 2017). Dieses Material eignet sich sowohl für den Einsatz in der Jugendhilfe, Jugendberufsberatung, Berufsbildung sowie in Schulen der Sekundarstufe II. Die Trainingsmethoden sind darauf ausgerichtet, Transparenz und Mitbestimmung zu fördern.
Die Autor:innen thematisieren ausführlich Fortbildungen für zukünftige Trainer:innen, die sowohl die zugrunde liegenden theoretischen Konzepte als auch die Vermittlung praktischer Kompetenzen umfassen. Weitere Informationen finden sich unter: www.bipp-bremen.de
Theoretische Fundierung
Das Kompetenztraining für Jugendliche ist ein verhaltensorientiertes Programm und basiert auf der Theorie der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung (SKI; Crick & Dodge, 1994) sowie der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura (1986) und dem Konzept der Selbstwirksamkeit nach Bandura (1994). Der theoretische Rahmen wird zusätzlich durch jugendpsychologische Erkenntnisse und Konzepte ergänzt.
Die Ziele von «Fit for Life» fokussieren auf unterschiedliche Ebenen. Übergeordnet steht das Ziel der beruflichen und gesellschaftlichen Integration der Jugendlichen durch die Vermittlung sozialer Kompetenzen und beruflicher Schlüsselqualifikationen. Weiter wurden folgende Ziele entwickelt: Aufmerksamkeit und Ausdauer, Lern- und Leistungsmotivation, Selbst- und Fremdwahrnehmung, realistische Selbsteinschätzung, Selbstsicherheit, Selbstkontrolle und Selbststeuerung, Selbstmanagementstrategien, Erkennen und Ausdrücken von Gefühlen, Empathie und Perspektivenübernahme, Kommunikation, Kooperation und Teamfähigkeit, Entscheidung und Planung, Lob und Kritik geben und annehmen, Überwinden von Misserfolgen, Sozialkompetente Konfliktlösung, Kritik- und Selbstkritikfähigkeit.
Die Ziele des Kompetenztrainings «Fit for Life» wurden aus den theoretischen Grundlagen und aus der Analyse der geforderten beruflichen Schlüsselqualifikationen abgeleitet. Bei den im Training angewandten Verfahren handelt es sich um lerntheoretisch fundierte Methoden.
Evaluation
Die Autor:innen fassen in einem Unterkapitel die qualitativen und quantitativen Ergebnisse zur Wirksamkeit des Trainings zusammen. Gemäss den qualitativen Befragungen wird das Programm «Fit for Life» nicht von allen Jugendlichen durchweg positiv eingeschätzt. Die Autor:innen empfehlen daher, dass Trainer:innen zunächst allgemeine Erfahrungen mit dem Programm sammeln sollten, bevor sie es mit Jugendlichen mit besonders herausforderndem Verhalten anwenden. Im berufsvorbereitenden Unterricht hat sich das Training jedoch als erfolgreich erwiesen und wurde in den ersten Einrichtungen, die das Programm durchführten, zu einem festen Bestandteil.
Zur quantitativen Auswertung wurden die Jugendlichen sowie aussenstehende Beobachter:innen mittels eigens entwickelter Fragebögen zu drei Zeitpunkten befragt (Prätest, Posttest, Follow-up). Die Ergebnisse zeigen, dass sich die 174 Jugendlichen der Trainingsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe (n = 135) tendenziell weniger aggressiv und als selbstsicherer einschätzen. Die Fremdbeurteilung zeigte eine Verringerung von sozial unerwünschtem Verhalten sowie eine Steigerung von sozial kompetentem Verhalten und sozialer Problemlösekompetenz. Darüber hinaus zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Mitarbeit der Jugendlichen im Training und der Verbesserung des sozial erwünschten Verhaltens.
Mehrere kleinere Evaluationen (unveröffentlichte Diplomarbeiten) haben diese ersten Ergebnisse der ursprünglichen Evaluationsstudie bestätigt (Jugert et al., 2000). Aufgrund der Evaluationsstudien bei verschiedenen Personengruppen und unterschiedlichen Institutionen beschreiben die Autor:innen, dass «Fit for Life» sowohl primär- als auch sekundärpräventiv erfolgreich eingesetzt werden kann.
Literatur
- Bandura, A. (1986). Social foundation of thought and actions: A social cognitive theory. Prentice Hall.
- Bandura, A. (1994). Self efficacy. The exercise of control. Freeman.
- Crick, N. & Dodge. (1994). A Review and Reformulation of Social Information – Processing Mechanisms in Children`s Social Adjustment. Psychological Bulletin, 115(1), S. 74-101. https://doi.org/10.1037/0033-2909.115.1.74
- Jugert, G., Jugert, H. & Notz, P. (2014). Fit für kulturelle Vielfalt. Training interkultureller Kompetenz für Jugendliche. Juventa.
- Jugert, G., Rehder, A., Notz, P., Petermann, F. (2017). Fit for Life – Module und Arbeitsblätter zum Training sozialer Kompetenz für Jugendliche (11. überarbeitete u. erweiterte Auflage). Beltz Juventa.
- Jugert, G., Rehder, A., Notz, P., & Petermann, F. (2000). Odysseus FIT FOR LIFE–Berufsbezogene Verhaltensförderung sozial benachteiligter Jugendlicher. Bremen: Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen.
- Jugert, G., Rehder, A., Notz, P., & Petermann, F. (2016). Soziale Kompetenz für Jugendliche – Grundlagen und Training (9., überarbeitete Auflage). Weinheim und München: Juventa.
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Letzte Änderung: 05/2024
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