Fördermassnahmen
Fairplayer.Manual – Klasse 7-9 Förderung von sozialen Kompetenzen – Prävention von Mobbing und Schulgewalt
von Herbert Scheithauer, Anton Walcher, Stephan Warncke, Felix Klapprott und Heike Dele Bull (2019)
Einsatzbereich
- 7. bis 9. Klasse
- Gruppentraining
- Universelle und selektive Prävention
Qualitätskriterien
Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Evaluation | |
---|---|---|---|
Bewertung | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis |
Erläuterung | Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. | Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. | Überzeugende Belege zur Wirksamkeit. |
Inhalt
Das Fairplayer.Manual kann begleitend zum Unterricht eingesetzt werden, um soziale Kompetenzen zu fördern und Mobbing (Bullying) vorzubeugen. Im Mittelpunkt stehen dabei zentrale Fähigkeiten des menschlichen Zusammenlebens wie Empathie, Perspektivenübernahme, Gerechtigkeitssinn und Zivilcourage. Das Programm soll durch speziell geschulte Lehrpersonen im regulären Schulunterricht durchgeführt werden.
Zielgruppe sind Schüler:innen der 7. bis 9. Klassenstufe. Es handelt sich um ein universelle Präventionsprogramm, das mit der gesamten Schulklasse umgesetzt wird. Gleichzeitig beinhaltet das Programm Methoden und Bausteine, die insbesondere Jugendlichen zugutekommen, die ein erhöhtes Risiko für Mobbing aufweisen – sei es, dass sie selbst gemobbt werden oder andere mobben. Dies betrifft insbesondere Jugendliche mit wenigen oder negativen Peerbeziehungen.
Im Rahmen des Programms lernen die Jugendlichen, sich in verschiedene Rollen hineinzuversetzen – zum Beispiel in die des Täters oder des Opfers – und erfahren, wie sie in Mobbing-Situationen einschreiten können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.
Das Programm nutzt dabei vor allem strukturierte Rollenspiele, soziale Verstärkung und Verhaltensrückmeldung (kognitiv-behaviorale Methoden), den Participant Role Approach zur Bearbeitung sozialer Rollen sowie moralische Dilemma-Diskussionen.
Das Programm ist in elf Schritte unterteilt und erstreckt sich über 15 bis 17 Doppelstunden von jeweils 90 Minuten. Lehrpersonen können an einer zwei- bis dreitägigen Schulung teilnehmen, die auf Anfrage vom „fairplayer e.V.“ angeboten wird. Zusätzlich sollen vor Beginn und nach Abschluss des Programms Elternabende stattfinden.
Die elf Schritte des Programms umfassen:
- Schritt 1: Einführung in das Thema
- Schritt 2: Einführung in die Arbeitsmethoden: Wie gehen wir miteinander um?
- Schritt 3: Was ist Gewalt?
- Schritt 4: Zivilcourage … was ist das?
- Schritt 5: „Wie es mir geht.“ Gefühle und Körpersprache
- Schritt 6: „Ich hab nix gesehen…!“ Soziale Rollen beim Bullying
- Schritt 7: Unsere Klasse
- Schritt 8: „Was kann ich tun?“ Situationen erkennen und eingreifen
- Schritt 9: „Ich denke, das ist richtig!“ Moralische Dilemmata
- Schritt 10: „Typisch Kerl!…. Weiber!“ Geschlechterunterschiede
- Schritt 11: Abschlussrunde
Zudem gibt es eine Programmversion des Fairplayer.Manual für die Klassen 5 bis 6 vor (Braun et al., 2019). Damit richtet sich das Programm insgesamt an Schüler:innen im Alter zwischen 11 und 16 Jahren.
Durchführbarkeit
Das Manual liegt in der Version für 7. bis 9. Klassen und 5. bis 6. Klassen vor. Das Programm nutzt die Interessen der Jugendlichen an Themen wie Musik, Mode und Medien, um sie in ihrer eigenen Sprache anzusprechen und dazu zu motivieren, sich kreativ mit dem Thema «Fairplay» auseinanderzusetzen. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, ihre erarbeiteten Lösungsansätze und Handlungsmöglichkeiten nach ihren eigenen Ideen umzusetzen, beispielsweise durch das Drehen eines Kurzfilmes. Durch den Einsatz verschiedener Medien wird ein breit angelegter Wissenstransfer möglich. Die moderne und vielseitige Ausrichtung sorgt dafür, dass die Jugendlichen kontinuierlich gefordert werden und sich intensiv mit den Themen auseinandersetzen.
Die Manuale bieten Anleitungen für Rollenspielen, Leitfäden zur Bearbeitung der moralischen Dilemmata sowie zahlreiche praktische Übungen und Hinweise. Ergänzend stehen online verschiedene Zusatzmaterialen zum Download bereit. Auf der Webseite (https://www.fairplayer.de/) sind zudem weiterführende Informationen verfügbar.
Theoretische Fundierung
Die Entwicklung des Programms «fairplayer“ geht auf die Gründung des Bremer Vereins „fairplayer e.V.“ im Jahr 2004 zurück. Der Verein verfolgt das Ziel, Kinder und Jugendliche zu ermutigen, sich aktiv einzubringen, Schwächere zu stärken und Gewalt entschieden abzulehnen. Zivilcouragiertes und prosoziales Handeln sollen gefördert, soziale Kompetenzen gestärkt und persönliche Verantwortungsübernahme unterstützt werden. Vor diesem Hintergrund wurde das Programm „fairplayer“ von Herbert Scheithauer und Heike Dele Bull entwickelt, um Mobbing und Schulgewalt vorzubeugen und zugleich soziale Kompetenzen sowie Zivilcourage zu fördern.
Das Manual beginnt mit einer ausführlichen Darstellung der theoretischen Hintergründe des Programms. Dabei wird das Thema Mobbing vertieft behandelt und mit entwicklungspsychologischen Aspekten wie den typischen Entwicklungsaufgaben des Jugendalters in Beziehung gesetzt. Als Wirkprinzip von Fairplayer.Manual wird der Participant-Role-Ansatz (Soziale Rollen-Ansatz) von Salmivalli et al. (1996) beleuchtet und die Einflussmöglichkeiten von Peers thematisiert. Weitere wichtige Themenfelder sind Regeln und Loben, Empathie und Perspektivenübernahme, moralische Sensibilität und Überzeugungen sowie Werte, Normen und Regeln.
Evaluation
Das Fairplayer.Manual wurde mehrfach erfolgreich evaluiert. Das Programm zeigt insgesamt eine hohe Akzeptanz sowohl bei den Schüler:innen als auch bei den Lehrpersonen.
In einer Pilotevaluation von Scheithauer und Bull (2010) wurden 138 Schüler:innen im Alter von 13 bis 21 Jahren sowie deren Lehrpersonen an Gesamt-, berufsvorbereitenden und Berufsschulen vor und nach der Durchführung des Programms mithilfe eines strukturierten Fragebogenverfahrens befragt. Untersucht wurden unter anderem die Häufigkeit von Mobbing, Empathie, prosoziales Verhalten und Gewaltlegitimation. Ein Vergleich der Schüler:innen-Angaben zu beiden Messzeitpunkten zeigt eine positive Entwicklung: Die Anzahl der Täter und Opfer ging zurück, und das prosoziale Verhalten wurde verstärkt. Die Ergebnisse zur Gewaltlegitimation und Empathie fielen jedoch uneinheitlich aus. Die Lehrpersonen berichteten, dass die Schüler:innen nach dem Programm zunehmend reflexiv mit Themen wie Gewalt und Zivilcourage umgingen und das eingesetzte Material als besonders relevant empfunden wurde. Kritisch zu bemerken ist, dass in dieser Evaluation eine Kontrollgruppe und eine Follow-Up-Untersuchung fehlten.
Eine weitere Evaluationsstudie im Kontrollgruppendesign mit Prä-Posttest-Follow-up von Bull et al. (2009) untersuchte 119 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren. Die Ergebnisse zeigen, dass das selbstberichtete Mobbingverhalten in den Interventionsgruppen reduziert wurde. In der Studie wurde zudem eine Kurz- und eine Langversion des Programmes verglichen. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine Interventionsdauer von zehn Wochen zu kurz ist, um langfristige Effekte hinsichtlich der Reduktion aggressiven Verhaltens zu erreichen.
In einer weiteren Evaluationsstudie von Scheithauer et al. (2012) mit 113 Jugendlichen berichteten die Lehrpersonen über eine Zunahme prosozialen Verhaltens sowie eine Abnahme aggressiven Verhaltens. Zudem zeigte sich bei den Jugendlichen eine Abnahme selbstberichteten Mobbingverhaltens. Kritisch anzumerken ist jedoch das Fehlen einer Kontrollgruppe.
In einer Dissertationsarbeit (Bull, 2013) wurde im Rahmen der Programmevaluation festgestellt, dass sowohl die Häufigkeit von Mobbing-Verhalten als auch das Auftreten relationaler Aggression signifikant abnahmen. Gleichzeitig konnte eine signifikante Zunahme der kognitiven Empathie festgestellt werden. Diese Effekte blieben bis zum Follow-up-Zeitpunkt stabil, mit Ausnahme der Ergebnisse zur Empathie.
In der Wirksamkeitsstudie von Wölfer und Scheithauer (2014) nahmen 328 Jugendliche teil (Alter M = 13.7 Jahre). Es handelte sich um eine Kontrollgruppenstudie mit Vorher- und Nachhermessung, die darauf abzielte, die sozialen Mechanismen von Mobbing aus der Perspektive sozialer Netzwerke zu erfassen. Die Ergebnisse zeigen, dass in der Interventionsgruppe die Mobber ihre Machtposition verlieren, während Jugendliche, die ihr Mobbingverhalten verstärken, eine Abnahme ihres sozialen Einflusses erfahren. Die Befunde deuten darauf hin, dass die Intervention erfolgreich darin ist, kontextuelle Gelegenheiten für das Zeigen von Mobbingverhalten zu reduzieren.
Literatur
- Braun, V., König, L., Walcher, A., Warncke, S. & Scheithauer, H. (2019). Fairplayer.Manual – Klasse 5-6. Förderung von sozialen Kompetenzen – Prävention von Mobbing und Schulgewalt. Vandenhoeck & Ruprecht.
- Bull, H.D. (2013) Evaluation des Gewaltpräventionsprogramms fairplayer.manual zur Förderung sozialer Kompetenzen und zur Reduktion von Bullying und Schulgewalt im Jugendalter. Dissertation, Freie Universität, Berlin.
- Bull, H. D., Schultze, M., & Scheithauer, H. (2009). School-based prevention of bullying and relational aggression: The fairplayer.manual. International Journal of Developmental Science, 3(3), 312-317.
- Salmivalli, C., Lagerspetz, K., Björkqvist, K., Österman, K., & Kaukiainen, A. (1996). Bullying as a group process: Participant roles and their relations to social status within the group. Aggressive Behavior, 22(1), 1–15. https://doi.org/10.1002/(SICI)1098-2337(1996)22:1<1::AID-AB1>3.0.CO;2-T
- Scheithauer, H. & Bull, H.D. (2010). Das fairplayer.manual zur unterrichtsbegleitenden Förderung sozialer Kompetenzen und Prävention von Bullying im Jugendalter: Ergebnisse der Pilotevaluation. Praxis der Kinderpsychologie und –psychiatrie, 59 (4), 266-281.
- Scheithauer, H., Hess, M., & Schultze-Krumbholz, A. (2012). School-Based Prevention of Bullying and Relational Aggression in Adolescence: The Fairplayer.manual. New Directions for Youth Development, 133, 55–70. https://doi.org/10.1002/yd.20007
- Scheithauer, H., Walcher, A., Warncke, S., Klapprott, F. & Bull, H. D. (2019). Fairplayer.Manual – Klasse 7-9. Förderung von sozialen Kompetenzen – Prävention von Mobbing und Schulgewalt (4. vollst., überarb. & erweiterte Aufl.). Vandenhoeck & Ruprecht.
- Wölfer, R. & Scheithauer, H. (2014). Social influence and bullying behavior: Intervention-based network dynamics of the fairplayer.manual bullying prevention program. Aggressive Behavior, 40, 309-319. https://doi.org/10.1002/ab.21524
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Letzte Änderung: 05/2024
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