Fördermassnahmen

Emotionsregulationstraining (ERT) für Kinder im Grundschulalter

von Nina Heinrichs, Arnold Lohaus und Johanna Maxwill (2017)

Einsatzbereich

  • 6 bis 10 Jahre
  • Gruppentraining (Kleingruppen mit ca. 8 Kindern)
  • Universelle und selektive Prävention

Qualitätskriterien

Durchführbarkeit Theoretische Fundierung Evaluation
Bewertung Gefüllter Kreis Gefüllter Kreis Halb gefüllter Kreis
Erläuterung Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. Belege zu kurzfristigen Effekten auf Emotionswissen, nicht jedoch zu Verhaltensveränderungen

Inhalt

Das Emotionsregulationstraining (ERT) wurde speziell für Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren zur Förderung der Emotionsregulation konzipiert und eignet sich für den Einsatz vom Ende des Kindergartens bis zur 4. Klasse. Je nach Altersgruppe sind bei der Durchführung teilweise Anpassungen erforderlich. Das Programm kann sowohl zur universellen Prävention in Kindergruppen (z.B. im schulischen Kontext) als auch zur sekundären Prävention (z.B. in Therapiegruppen) eingesetzt werden.

Das ERT umfasst sechs wöchentliche Sitzungen von jeweils 60 bis 75 Minuten. Bei der Durchführung im schulischen Kontext wird empfohlen, die Klasse in kleinere Gruppen von etwa acht Kindern aufzuteilen. Jede der sechs Sitzungen konzentriert sich auf einen bestimmten Schwerpunkt (unterstützt durch ein Symbol):

  1. Emotionsverständnis und Emotionsausdruck (Gefühlsachterbahn): Auseinandersetzung mit verschiedenen Gefühlen.
  2. Situationsselektion und Situationsmodifikation (Gefühlslenkrad): Verstehen, dass die Wahl oder Vermeidung eine Situation das emotionale Erleben beeinflussen kann.
  3. Aufmerksamkeitslenkung (Gefühlsscheinwerfer): Bewusstes Fokussieren oder Ablenken der Aufmerksamkeit, um Gefühle aufrechtzuerhalten, zu intensivieren oder abzuschwächen.
  4. Kognitive Veränderung (Gefühlsbrille): Verändern von Gefühlen durch Umstrukturierung und Neubewertung der Situation.
  5. Reaktionsmodulation (Gefühlsaufheller): Strategien, um Gefühle positiv zu beeinflussen.
  6. Emotionsbezogenes Problemlösen (Gefühlsampel): Einführung eines Problemlöseansatzes beim Umgang mit Emotionen.

 

Die verschiedenen Themen werden in spielerisch vermittelt. Das Training umfasst Übungen, Rollenspielen, Gruppendiskussionen und Entspannungsübungen. Zusätzlich werden zwei optionale Elternsitzungen von je 60 bis 90 Minuten angeboten, die Themen wie das Vorbildverhalten der Eltern im Umgang mit Gefühlen, die Kommunikation über Gefühle mit dem Kind und Möglichkeiten zur emotionalen Unterstützung eines Kindes in schwierigen Situationen behandeln.

Durchführbarkeit

Das Manual enthält eine detaillierte Anleitung zur Durchführung jeder Sitzung, einschliesslich Informationen zu den Inhalten, benötigten Materialien, der Struktur sowie zum konkreten Vorgehen inklusive Instruktionen. Zum Manual gehört eine CD-ROM mit allen Arbeitsmaterialien als druckbare PDFs.

Zusätzlich werden einige weitere Materialien benötigt, die im Manual aufgelistet sind. Ein separat erhältliches Materialset umfasst alle Trainingsmaterialien für eine Gruppe von bis zu acht Kindern. Für das Training sind ausserdem zwei Handpuppen erforderlich, die nicht im Materialset enthalten sind.

Theoretische Fundierung

Im ersten Teil des Manuals werden die theoretischen Hintergründe des Programmes ausführlich hinsichtlich emotionaler Kompetenz, Emotionsregulation und Auswirkungen von Emotionsregulationsproblemen beschrieben. Das Emotionsregulationstraining orientiert sich vor allem am intrapsychischen Modell der Emotionsregulation (Gross, 2013), welches sich insbesondere auf die Selbstregulation fokussiert. Das Emotionsregulationsmodell von Gross unterscheidet fünf Klassen von Emotionsregulationsstrategien: Situationsauswahl, Situationsmodifikation, Aufmerksamkeitslenkung, Kognitive Veränderung und Reaktionsmodulation.

Ergänzend zu dieser theoretischen Konzeption nach Gross (2013) integriert das theoretische Rahmenmodell des Trainings zusätzlich zwei Metakomponenten: das Metawissen über Emotionen (Emotionsverständnis und -ausdruck) und das Metawissen über Emotionsregulation (emotionsbezogenes Problemlösen).

Diese theoretischen Grundlagen bilden die Basis für die sechs Trainingssitzungen, die jeweils einen spezifischen Schwerpunkt umsetzen.

Evaluation

Gemäss Manual wurde das Trainingsprogramm in einer ersten Pilotstudie mit 79 Kindern im Alter von 6 bis 9 Jahren evaluiert. Die Stichprobe umfasste eine nichtklinische (n = 46) und eine klinische Stichprobe (n = 33) – Kinder, die eine Tagesklinik besuchten. An der Intervention nahmen 38 Kinder aus der nichtklinischen und 20 Kinder aus der klinischen Gruppe teil. Die Ergebnisse zeigten erste Hinweise auf Verbesserungen der Emotionsregulation (Copingstrategien). Hinsichtlich der Akzeptanz des Trainings zeigte sich, dass das Training insgesamt 98% der Kinder Spass bereitete und 93% gerne zu den Sitzungen kamen.

In einer randomisiert-kontrollierten Studie mit Wartekontrollgruppendesign untersuchten Greuel und Heinrichs (2016) die kurzfristige Wirksamkeit das Emotionsregulationstraining als universelles Präventionsprogramm. An der Studie nahmen 163 Grundschülerinnen teil, aufgeteilt in eine Interventionsgruppe (n = 63), eine Wartekontrollgruppe (n = 70) und eine Kontrollgruppe (n = 30). Zur Erfassung der Variablen Emotionsverständnis, Emotionsregulation und Verhaltensauffälligkeiten wurden ein Entwicklungstest sowie Fremdbeurteilungsfragebögen eingesetzt. Die Ergebnisse zeigten signifikante, trainingsspezifische Verbesserungen in den Untertests «Soziale Situationen Verstehen» sowie «Emotionen Regulieren». In den Elternberichten zur Emotionsregulation und zu Verhaltensproblemen zeigten sich jedoch keine bedeutsamen Effekte.

Die Ergebnisse zeigen somit positive Effekte des Trainings in proximalen, wissensbasierten, jedoch nicht in distalen, verhaltensbasierten Massen. So scheint das ERT kurzfristige Effekte auf Emotionswissen zu haben. Nicht überprüft wurden in dieser Studie längerfristige Verhaltensveränderungen.

In unserer Recherche konnten wir keine weiteren Evaluationsstudien zum «Emotionsregulationstraining» finden.

Literatur

  • Greuel, J. F. & Heinrichs, N. (2016). Evaluation eines universell-präventiv eingesetzten Emotionsregulationstrainings für Kinder im Grundschulalter. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 45(3), 184–197. https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000372
  • Gross (2013). Emotion regulation: Conceptual and empirical foundations. In J. J. Gross (Ed.), Handbook of Emotion regulation (2nd ed., pp. 3–20). Guilford Press.
  • Heinrichs, N., Lohaus, A. & Maxwill, J. (2017). Emotionsregulationstraining (ERT) für Kinder im Grundschulalter. Hogrefe.

 

Haben wir etwas übersehen? Melden Sie sich gerne unter wiwawi@hfh.ch.

 

Letzte Änderung: 10/2024

 

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