Fördermassnahmen

Die Kapitän-Nemo-Geschichten. Geschichten gegen Angst und Stress

von Ulrike Petermann (2024)

Einsatzbereich

  • Ca. 5 bis 12 Jahre
  • Einzel- und Gruppentraining
  • Universelle, selektive und indizierte Prävention

Qualitätskriterien

Durchführbarkeit Theoretische Fundierung Evaluation
Bewertung Gefüllter Kreis Gefüllter Kreis Gefüllter Kreis
Erläuterung Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. Überzeugende Belege zur  Wirksamkeit.

Inhalt

In den Entspannungsgeschichten ist die Leitfigur Kapitän Nemo, der die Kinder zu Reisen durch die Weltmeere mit einem Unterwasserboot einlädt. Die Geschichten breiten eine fantastische Welt aus, die durch ruhige motorische Aktivitäten und stark reduzierte äussere Reize, wie zum Beispiel Lärm, charakterisiert sind.

Die Geschichten zielen darauf ab, ängstliche Erregung und motorische Unruhe abzubauen sowie den Kindern Strategien zur Selbstberuhigung und Entspannung zu vermitteln, die sie selbstständig in schwierigen Alltagssituationen anwenden können. Die Geschichten können sowohl zur Einstimmung auf eine Therapiesitzung als auch in Kindergärten, Schule und anderen Institutionen sowie im Alltag der Familie eingesetzt werden.

Durchführbarkeit

Die 10-15-minütigen Geschichten liegen in schriftlicher Form zum Vorlesen als auch als CD vor. Die Geschichten werden mit Musik kombiniert. Die Kinder sollen sich vorstellen, sie seien von Kapitän Nemo zu einer Reise durch die Weltmeere mit dem Unterwasserboot «Nautilus» eingeladen worden und erleben die vielfältige Unterwasserwelt. Damit bieten die Geschichten den Kindern geeignete Assoziationsmöglichkeiten vor dem Hintergrund eigener Badewannen-, Schwimmbad-, oder Strandurlaubserlebnisse.

Theoretische Fundierung

In Entspannungsverfahren können über einen kognitiven Zugang (z.B. autogenes Training), einen sensorischen Zugang (z.B. progressive Muskelentspannung) oder einen imaginativen Zugang (z.B. Fantasiebilder) Ruhe und Ausgeglichenheit erlangt werden. Die Kapitän-Nemo-Geschichten, auch Entspannungsgeschichten genannt, reihen sich in eine Kombination aus imaginativem und kognitivem Zugang ein. 

Evaluation

Werden Entspannungsverfahren regelmässig, mit nicht zu langen Zeitabständen durchgeführt, beispielsweise zwei- bis dreimal in der Woche, dann können positive psychophysiologische Auswirkungen erwartet werden (Petermann, 2014; 2020). Hierzu gehören neuromuskuläre, kardiovaskuläre, respiratorische, elektrodermale und zentralnervöse Veränderungen (Vaitl, 2020): Im Rahmen von neuromuskulären Veränderungen wird die Anspannung in der Skelettmuskulatur reduziert und als Schwere in den Gliedern erlebt. Im Hinblick auf kardiovaskuläre Veränderungen zeigen sich Blutgefässerweiterungen in den Armen und Beinen, eine Abnahme der Herzrate sowie eine Blutdrucksenkung. Respiratorische Veränderungen zeigen sich in einer flacheren und gleichmässigeren Atmung. Elektrodermale Veränderungen zeigen sich darin, dass das sympathische Nervensystem beruhigt und unter anderem die Tätigkeit der Schweissdrüsen reduziert wird. Zentralnervöse Veränderungen, die mit Hilfe der Elektroenzephalografie (EEG) gemessen werden, zeigen am zuverlässigsten eine positive Entspannungsreaktion an. Damit scheinen Entspannungsverfahren hilfreich und sinnvoll zur Vorbereitung nachfolgender Aktivitäten, da sie günstige psychophysiologische Bedingungen herstellen können.

Petermann und Schomaker (2019) weisen darauf hin, dass in Anbetracht des weiten Einsatzfeldes von Entspannungsverfahren im Kindes- und Jugendalter relativ wenige aussagekräftige Studien zur Wirksamkeit vorhanden sind, vermutlich, weil die Entspannungsverfahren meist als Teil multimodaler Programme eingesetzt werden. Petermann und Schomaker (2019) gehen im Anschluss auf vorhandene Studien ein. Sie  nennen die Metaanalyse von Saile (1996), in welcher zur Behandlung von Kindern mit ADHS Entspannungsverfahren und verschiedene Kontrollbedingungen untersucht wurden und ein mittelgrosser Effekt ermittelt wurde. Weiter nennen Petermann und Schomaker (2019), dass spezifisch die Wirksamkeit der Kapitän-Nemo-Geschichten in Studien mit Kindern mit hyperaktivem Verhalten (Saile & Klüsche, 1994) und mit Störungen des Sozialverhaltens sowie oppositionellem Trotzverhalten (Petermann & Petermann, 2012) nachgewiesen wurde.

Literatur

  • Petermann, U. (2014). Entspannungstechniken für Kinder und Jugendliche. Ein Praxisbuch. Beltz.
  • Petermann, U. (2020). Angststörungen. In F. Petermann (Hrsg.), Entspannungsverfahren. Das Praxishandbuch. Beltz.
  • Petermann, U. (2024). Die Kapitän-Nemo-Geschichten (22. korr. Aufl.). Hogrefe.
  • Petermann, F. & Petermann, U. (2012). Training mit aggressiven Kindern. Beltz.
  • Petermann, U. & Schomaker, H. (2019). Entspannungsverfahren. In S. Schneider & J. Margraf (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 3: Psychologische Therapie bei Indikationen im Kindes- und Jugendalter (S. 249-260). Springer-Verlag.
  • Saile, H. (1996). Metaanalyse der Effektivität psychologischer Behandlung hyperaktiver Kinder. Zeitschrift für Klinische Psychologie, 25, 190-207.
  • Saile, H. & Klüsche, P. (1994). Zur Therapie hyperaktiver Kinder: Selbstinstruktionstraining und Autogenes Training im Vergleich. Trierer Psychologische Berichte, 21, Heft 6.
  • Vaitl, D. (2020). Neurobiologische Grundlagen der Entspannungsverfahren. In F. Petermann (Hrsg.), Entspannungsverfahren. Das Praxishandbuch. Beltz.

 

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Letzte Änderung: 04/2024

 

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