Fördermassnahmen
Verhaltenstraining in der Grundschule: Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen
von Franz Petermann, Ute Koglin, Nandoli von Marées und Ulrike Petermann (2019)
Einsatzbereich
- 3. und 4. Klasse (9 bis 12 Jahre)
- Gruppentraining
- Universelle und selektive Prävention
Qualitätskriterien
Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Evaluation | |
---|---|---|---|
Bewertung | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis |
Erläuterung | Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. | Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. | Überzeugende Belege zur Wirksamkeit. |
Inhalt
Das «Verhaltenstraining in der Grundschule» ist ein Präventionsprogramm zur Förderung der emotionalen und sozialen Kompetenz sowie der moralischen Entwicklung von Grundschulkindern. Es wird mit der gesamten Schulklasse durchgeführt und verfolgt kindbezogene, trainerbezogene und elternbezogene Ziele:
- Kindbezogene Ziele: Diese beinhalten unter anderem die Vermittlung von Emotionswissen und Emotionsregulation, die Förderung von Empathie und Problemlöse- und Konfliktmanagement sowie den Aufbau prosozialen Verhaltens.
- Trainerbezogene Ziele: Hier geht es um die Vermittlung von Basiswissen zu Bereichen wie emotionale Kompetenzen, problematisches Sozialverhalten und lernpsychologische Grundlagen.
- Elternbezogene Ziele: Diese umfassen die Sensibilisierung für die Trainingsinhalte, die Verstärkung der Trainingseffekte durch vertiefende Übungen zu Hause sowie die Förderung der Nachhaltigkeit und Generalisierung der Trainingseffekte auf Alltagssituationen.
Das Programm ist für die in 3. und 4. Klassen der Primarschule konzipiert und umfasst 26 Einheiten à 45-90 Minuten. Die Einheiten sollten mit einer Frequenz von zwei Trainingseinheiten pro Woche durchgeführt werden, um die Förderung innerhalb eines Schulhalbjahres zu gewährleisten.
Der Aufbau des Verhaltenstrainings gliedert sich wie folgt:
- Trainingsbereich emotionale Kompetenz (Einheiten 1-10): Einführung in das Training und Vorstellung der Leitfiguren; Einführung des Verstärkerplans, Diskriminierung unterschiedlicher Erlebensebenen bei verschiedenen Gefühlen; Emotionsstärken wahrnehmen, einschätzen und benennen; Sammlung von Wutkontrollstrategien; Erstellen eines Wutkontrollplans; Sensibilisierung der Ärgerwahrnehmung; Einüben von Wutkontrollstrategien.
- Trainingsbereich soziale Kompetenz (Einheiten 11-18): Üben und Vertiefen von Ärgerwahrnehmung und Wutkontrolle; Förderung von Empathie; Finden von alternativen Konfliktlösungen; Vorwegnahme und Bewertung von Konsequenzen; Integration der Stufen der sozialen Informationsverarbeitung.
- Trainingsbereich Eigen- und Sozialverantwortung (Einheiten 19-26): Einsicht in die Notwendigkeit von allgemeingültiger Regeln und Gesetze; Akzeptanz von Regeln; Gerechter Umgang miteinander; Erlernen von Eigenverantwortung und Zivilcourage; Positiver Abschluss des Trainings mit Planung und Organisation einer Abschlussparty.
Durch das Hörspiel «Abenteuer auf Schloss Duesternbrook» erarbeiten die Lehrpersonen gemeinsam mit ihren Schüler:innen die Ziele des Trainings. Leitfiguren sind dabei zwei Mädchen und zwei Jungen mit unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergründen.
Durchführbarkeit
Die einzelnen Trainingseinheiten folgen jeweils einer festgelegten Struktur und sind detailliert beschrieben. Das altersgerecht gestaltete Präventionsprogramm enthält Arbeitsmaterialien sowie Audiodateien, die auf einer dem Manual beigelegten DVD zum Ausdruck verfügbar sind. Den didaktischen Rahmen des Trainings bildet das Hörspiel «Abenteuer auf Schloss Duesternbrook». Das Hörspiel soll dazu beitragen, zu Beginn der Trainingseinheiten in das Thema einzuführen und die Trainingsmotivation bei den Kindern aufrechtzuerhalten.
Das Training kann durch Lehrpersonen und heil- und sonderpädagogische Fachpersonen durchgeführt werden.
Theoretische Fundierung
Inhaltlich basiert das Trainingsprogramm auf den drei Hauptelementen emotionale Kompetenz, soziale Kompetenz und moralische Entwicklung. Im Manual werden die theoretischen und empirischen Grundlagen dargestellt. Im Rahmen der emotionalen Entwicklung wird auf acht Schlüsselfertigkeiten emotionaler Kompetenz (nach Saarni, 2002) und auf Emotionsregulationsstrategien nach Petermann und Wiedebusch (2008) eingegangen. Im Rahmen der sozialen Kompetenz wird das Modell der sozialen Informationsverarbeitung nach Crick und Dodges (1994) beigezogen. Betreffend moralische Entwicklung wird unter anderem auf die Stufen der Moralentwicklung nach Kohlberg (1996) eingegangen. Ausgehend von den Grundlagen werden die Trainingsinhalte abgeleitet. Die Methoden des Trainings orientieren sich gemäss Manual an lerntheoretischen Konzepten (Verstärkungslernen, Selbstbeobachtung, Problemlöse- und Selbstinstruktionstraining).
Evaluation
In zwei Evaluationsstudien (von Marées & Petermann, 2009; 2010) wurde das «Verhaltenstraining in der Grundschule» hinsichtlich seiner Wirksamkeit unter Schulalltagsbedingungen überprüft, wobei insgesamt eine positive Gesamteinschätzung erzielt wurde. Zur Überprüfung der kurzfristigen Effektivität wurden vor und nach dem Training (Prä-Post-Test) Befragungen von Lehrpersonen und Schüler:innen durchgeführt. Insgesamt nahmen 226 Kinder in der Trainingsgruppe und 146 Kinder in der Kontrollgruppe teil. Gemäss Berichten der Lehrpersonen konnte sechs Monate nach dem Training eine Reduktion von Verhaltensproblemen in der Trainingsgruppe festgestellt werden. Insbesondere zeigte sich eine geschlechtsspezifische Veränderung insofern, dass sich das Sozialverhalten der Jungen durch das Training verbesserte. Beide Geschlechter zeigten eine Verbesserung in der berichteten sozialen Kompetenz. Die Effektstärken wurden von den Autor:innen als klein eingestuft, was mit bisherigen Befunden übereinstimmt. Die kurzfristigen Effekte deuten darauf hin, dass sozial-emotionale Probleme und aggressives Verhalten bei Jungen abnehmen. Die zweite Evaluationsstudie zur Überprüfung der mittelfristigen Effektivität beinhaltete Ein Follow-up ein Jahr nach Abschluss des Trainings mit 85 teilnehmenden Kindern aus drei Trainings- und zwei Kontrollklassen. Die Lehrpersonen berichteten auch nachhaltig signifikant weniger sozial-emotionale Probleme in der Trainingsgruppe, wobei bei den Jungen eine deutliche Abnahme von aggressiv-oppositionellem Verhalten zu beobachten war.
Literatur
- Crick, N. R. & Dodge, K. A. (1994). A review and reformulation of social information-processing mechanisms in children’s social adjustment. Psychological Bulletin, 115, 74-101. https://doi.org/10.1037/0033-2909.115.1.74
- Kohlberg, L. (1996). Die Psychologie der Moralentwicklung. Hogrefe.
- Petermann, F., Koglin, U., von Marées, N. & Petermann, P. (2019). Verhaltenstraining in der Grundschule. Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen (3. überarb. Aufl.). Hogrefe.
- Petermann, F. & Wiedebusch, S. (2008). Emotionale Kompetenz bei Kindern (2. überarb. u. ergänzte Aufl.). Hogrefe.
- Saarni, C. (2002). Die Entwicklung von emotionaler Kompetenz in Beziehungen. In M. von Salisch (Hrsg.), Emotionale Kompetenz entwickeln (S. 3-30). Kohlhammer.
- Von Marées, N. & Petermann, F. (2009). Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen im Grundschulalter. Kindheit und Entwicklung, 18, 244–253. https://doi.org/10.1026/0942-5403.18.4.244
- Von Marées, N. & Petermann, F. (2010). Effektivität des „Verhaltenstrainings in der Grundschule“ zur Förderung sozialer Kompetenz und Reduktion von Verhaltensproblemen. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 59, 224–241. https://doi.org/10.23668/psycharchives.9868
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Letzte Änderung: 06/2024
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