Fördermassnahmen
Ablösung vom zählenden Rechnen: Fördereinheiten für heterogene Lerngruppen
von Uta Häsel-Weide, Marcus Nührenbörger, Elisabeth Moser Opitz und Claudia Wittich (2013)

Einsatzbereich
- ab 1. Klasse; für alle Altersstufen geeignet
- Einzel-, Gruppen- oder Klassentraining
- Universelle, selektive oder indizierte Prävention
Qualitätskriterien
| Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Evaluation | |
|---|---|---|---|
| Bewertung | Gefüllter Kreis | Gefüllter Kreis | Halb gefüllter Kreis |
| Erläuterung | Verständliche Hinweise zur praktischen Umsetzung des Programms. | Theoretische Begründung und nachvollziehbare Ableitung der Vorgehensweise. | Bei kurzer Interventionsdauer begrenzte Belege zur Wirksamkeit. |
Inhalt
Für Kinder mit Rechenschwierigkeiten stellt die Ablösung vom zählenden Rechnen einen entscheidenden Schritt für ein erfolgreiches Mathematiklernen dar. Die Fördereinheiten setzen hier an. Sie richten sich an Schüler:innen ab der 1. Klasse Primar und können modular, ergänzend oder ersetzend zum Lehrmittel eingesetzt werden. Ziel ist es, einem möglich verfestigten zählenden Rechnen präventiv begegnen zu können oder die Ablösung herbeizuführen.
Das Buch umfasst zwei Teile. Im ersten Teil wird eine eher theoriegeleitete Auseinandersetzung mit mathematischen Lernschwierigkeiten, dem verfestigten Zählen und den Möglichkeiten der mathematischen Förderung fokussiert. Es werden Facetten inkl. möglichen Fördermassnahmen eines inklusiv gestalteten Unterrichts thematisiert, in welchem Kinder mit unterschiedlichen Lernbedürfnissen miteinander lernen können. Es wird zudem auf die zentralen Merkmale des zählenden Rechnens und auf die Prozesse und Inhalte zur Ablösung vom zählenden Rechnen eingegangen.
Im zweiten Teil des Buchs erfolgt eine praxisorientierte Darstellung der Unterrichtsbausteine, welche sich auf die zuvor kritisch genannten Stellen bei der Ablösung vom zählenden Rechnen bezieht. Es werden 20 Bausteine vorgestellt, die Kinder bei der Ablösung vom zählenden Rechnen unterstützen und gleichzeitig auch nichtzählend rechnenden Kindern eine vertiefte Auseinandersetzung mit mathematischen Beziehungen ermöglicht.
Die 20 Fördereinheiten bestehen aus den folgenden zentralen Komponenten, welche bei der Ablösung vom zählenden Rechnen eine zentrale Rolle spielen: Teil-Ganzes-Zerlegung erfahren, Zählkompetenzen erweitern, Grundvorstellungen aufgreifen und Rechnen mit Zahlbeziehungen.
Zu Beginn jeder Fördereinheit wird der fachdidaktische Hintergrund erläutert, in welchem wesentliche fachliche Begriffe und Grundannahmen beschrieben werden, damit die Lehrperson über Hintergrundwissen verfügt, um bei der Förderung kompetent auf die sensiblen Punkte und die Vorstellungen der Kinder eingehen zu können. Zudem beinhalten die Fördereinheiten noch ausführliche Unterrichtsskizzen mit Tafelbildern, Hinweise für die Einführungs- und Reflexionsphasen und methodische Hinweise für die kooperativen Arbeitsphasen und Abbildungen der der Arbeitsmaterialien. Die Fördereinheiten starten mit einer kurzen fachdidaktischen Analyse und enden mit weiteren Förderideen.
Durchführbarkeit
Das Buch enthält leicht verständliche Informationen zur Durchführung der Fördereinheiten und zum fachdidaktischen Hintergrund. Es umfasst es einen detailliert beschriebenen Unterrichtsleitfaden, bestehend aus Einstieg, Arbeitsphase, Reflexion und weiteren Förderideen Alle Arbeitsblätter sind im Download-Material zum Buch verfügbar, welches eine einfache Handhabung ermöglicht.
Theoretische Fundierung
Die Autor:innen weisen nicht auf ein eigenes theoretisches Modell hin, sondern beziehen sich auf in der Fachdidaktik bekannte Modelle und erläutern diese jeweils im Abschnitt Fachdidaktischer Hintergrund. Die einzelnen Fördereinheiten entstanden aus dem ZebrA-Projekt (Zusammenhänge erkennen und besprechen – rechnen ohne Abzählen) mit dem Ziel, Kinder vom zählenden Rechnen zu lösen, also von der Strategie, Rechenaufgaben durch einzelnes Abzählen zu lösen, hin zu einem Verständnis von Zahlen und Mengen sowie dem Nutzen von Rechengesetzen. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis für mathematische Beziehungen und Operationen zu entwickeln.
Evaluation
Zur Durchführung der unterrichtsintegrierten Förderung zur Ablösung vom zählenden Rechnen wurden im Rahmen des ZebrA-Projekts zehn Unterrichtsbausteine entwickelt und zuvor erprobt. Bei deren Umsetzung standen zwei Schwerpunkte im Vordergrund: Zum einen sollten verschiedene Sichtweisen auf Zahlen und Operationen eröffnet werden, zum anderen wurden mit den Schülerinnen und Schülern grundlegende Beziehungen zwischen Zahlen und Operationen in unterschiedlichen Aufgabenformaten erarbeitet. Auf diese Weise sollten insbesondere Kinder, die stark am zählenden Rechnen festhalten, zur Nutzung solcher Beziehungen angeregt werden. Die Intervention (n=909) erstreckt sich über einen Zeitraum von etwa zehn Wochen und wird von den Lehrpersonen zweimal wöchentlich für jeweils 30 Minuten durchgeführt. Es wurden zwei Interventionsgruppen und eine Kontrollgruppe gebildet:
Individuell-strukturiertes Mathematiklernen (Interventionsgruppe 1): Die Lehrpersonen fördern die Kinder durch geeignete Aufgabenstellungen und Klassendiskussionen dazu, eigenständig, aktiv und individuell an den Aufgaben zu arbeiten und dadurch neue mathematische Einsichten, Denkweisen und Handlungen zu entwickeln.
Kooperativ-strukturiertes Mathematiklernen (Interventionsgruppe 2): Die inhaltlichen Schwerpunkte und Materialien entsprechen denen der ersten Interventionsgruppe, jedoch erfolgt die Bearbeitung in Partnerarbeit. Im Zentrum stehen hierbei der gemeinsame Austausch sowie die soziale Aushandlung und Konstruktion mathematischer Strukturen und Erkenntnisse.
Kontrollgruppe: In dieser Gruppe erfolgt keine spezifische Intervention.
Um die Prädiktoren für die mathematischen Lernfortschritte zu ermitteln, wurden verschiedene statistische Verfahren verwendet. Die Analysen beziehen sich vor allem auf die Darstellung der linearen Zusammenhänge (Korrelationen) verschiedener Daten, der Hypothesenprüfung mit einer varianzanalytischen Auswertung und der Analyse gerichteter Zusammenhänge (Regressionen).
Die zählenden Rechnerinnen und Rechner der Untersuchungsstichprobe erzielten im Verlauf des Schuljahres in Bezug auf die abhängige Variable AV1 (Kopfrechnen in den 13 Kernaufgaben des ZebrA-Tests) signifikante Lernfortschritte. Obwohl die Schülerinnen und Schüler der kooperativ-strukturierten Gruppe die grössten Leistungszuwächse verzeichneten, liessen sich zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede feststellen. Das Vorwissen erwies sich sowohl für den ersten als auch für den zweiten Nachtest als signifikanter Prädiktor der mathematischen Leistung. Ein signifikanter Einfluss des IQs zeigte sich lediglich beim ersten Nachtest. Für den Prädiktor Geschlecht konnten keine signifikanten Effekte nachgewiesen werden.
Auch in Bezug auf das nicht-zählende Kopfrechnen (AV2) erzielten die zählenden Rechnerinnen und Rechner der kooperativ-strukturierten Gruppe die höchsten Mittelwerte. Die Gruppenzugehörigkeit stellte sich hierbei für den ersten Nachtest als signifikanter Prädiktor heraus, für das Follow-up hingegen nicht mehr. Mögliche Ursachen für diesen Befund werden im Buch von Wittich (2017) diskutiert. Darüber hinaus erwiesen sich sowohl das Vorwissen als auch die Intelligenz bei beiden Nachtests als signifikante Prädiktoren.
Insgesamt konnten die Hypothesen nur eingeschränkt bestätigt werden: Während die Ablösung vom zählenden Rechnen zwar unterstützt, aber nicht durchgehend nachgewiesen werden konnte, zeigten sich signifikante Effekte ausschliesslich für die kooperativ-strukturierte Intervention. Dies deutet darauf hin, dass gerade kooperative Lernarrangements eine intensivere Auseinandersetzung mit den mathematischen Inhalten ermöglichen, insbesondere durch Gespräche, heterogene Partnerkonstellationen und gemeinsame Reflexionsphasen. Die Beobachtungen legen nahe, dass leistungsschwächere wie auch leistungsstärkere Kinder gleichermassen von den kooperativen Settings profitieren konnten, da sie Gelegenheit zu vertieften Aushandlungsprozessen und herausfordernden Aufgaben hatten.
Die begrenzte statistische Absicherung der Ergebnisse lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass Kinder je nach Kontext und Aufgabenstellung weiterhin auf Zählstrategien zurückgriffen und die Intervention den Fokus stärker auf das Entdecken und Verstehen mathematischer Strukturen legte, während Automatisierungsprozesse weniger berücksichtigt wurden. Zudem erscheint die Dauer von zehn Wochen und 20 Unterrichtseinheiten im Vergleich zu Empfehlungen aus der Interventionsforschung als eher kurz, sodass insbesondere Kinder mit geringeren kognitiven Voraussetzungen möglicherweise mehr Zeit zur Entwicklung alternativer Strategien benötigt hätten. Trotz dieser Einschränkungen verdeutlicht die Studie, dass die Ablösung vom zählenden Rechnen durch kooperativ-strukturierte Förderformate grundsätzlich gelingen kann, wenn diese langfristig und systematisch in den Unterricht integriert werden.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die gewählte Interventionsdauer von zehn Wochen mit insgesamt 20 Unterrichtsbausteinen (zweimal 30 Minuten pro Woche) ausreichend bemessen war. Nach Slavin (2008) sollte eine wirksame Intervention mindestens zwölf Wochen umfassen. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf Schüler:innen mit geringeren kognitiven Voraussetzungen bedeutsam. Da Intelligenz einen signifikanten Prädiktor für Leistungszuwächse darstellt, ist anzunehmen, dass gerade diese Lernenden mehr Zeit benötigen, um alternative Rechenstrategien aufzubauen. Im Rahmen der vorliegenden Studie war die Umsetzung einer längerfristigen Intervention jedoch nicht realisierbar (Wittich, 2017).
Literatur
- Häsel-Weide, U., Nührenbörger, M., Moser Opitz, E. & Wittich, C. (Hrsg.). (2013). Ablösung vom zählenden Rechnen: Fördereinheiten für heterogene Lerngruppen (7. Auflage 2025.). Seelze: Klett Kallmeyer.
- Slavin, R. E. (2008). Perspectives on evidence-based research in education: What works? Issues in synthesizing educational program evaluations. Educational Researcher, 37 (1), 5- 14.
- Wittich, C. (2017). Mathematische Förderung durch kooperativ-strukturiertes Lernen: Eine Interventionsstudie zur Ablösung vom zählenden Rechnen an Grund- und Förderschulen (Dortmunder Beiträge zur Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts). Wiesbaden: Springer Spektrum
Verfügbarkeit an der HfH
- In der Bibliothek verfügbar
- Im Didaktischen Zentrum (DiZ) verfügbar
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Letzte Änderung: 11/2025