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Theoretische Einführung

Die heterogenen Sprachentwicklungsverläufe von Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum variieren von fehlender funktionaler Sprache bis zu besonderen sprachlichen Fähigkeiten bei gleichzeitig bestehenden Problemen in der sozialen Kommunikation (Eberhardt, 2014). Bis zu 30% aller Kinder im Autismus-Spektrum sprechen im Schulalter noch keine oder nur wenige Wörter und haben häufig Schwierigkeiten, Sprache funktional zu nutzen (Anderson et al., 2007; Norrelgen et al., 2015). Diese Kinder fallen in die Gruppe der minimal verbal kommunizierenden Personen und stehen im Fokus der frühen logopädischen Förderung (AWMF, 2021; Müller, 2023). Die Handlungsideen und die dazugehörige Orientierungshilfe ORKA sind darauf ausgelegt, Fachpersonen wie Logopädinnen und Logopäden in der Arbeit mit minimal verbal kommunizierenden Kindern zu unterstützen (Eckert, Lötscher, Massie & Braun, 2024).

Innerhalb der Gruppe der minimal verbal kommunizierenden Personen im Autismus-Spektrum gibt es eine grosse Vielfalt an kommunikativen und sprachlichen Fähigkeiten, weshalb eine individuell angepasste Therapie erforderlich ist. Die charakteristischen Sprachentwicklungsbesonderheiten umfassen vor allem die präverbale und frühe Sprachentwicklung und die damit einhergehenden Vorläuferfertigkeiten. Die beeinträchtigte soziale Orientierung und die erschwerte gemeinsame Aufmerksamkeit bei Kindern im Autismus-Spektrum beeinflussen die Entwicklung intentionaler und sprachlicher Kommunikation, einschliesslich des Sprachverständnisses, sowie des Aufbaus von Laut- und Silbenbildung (Müller, 2023). Aufgrund der Besonderheiten in der Sprach- und Kommunikationsentwicklung sollte der Fokus der Therapie von der reinen Förderung der Verbalsprache zu einer umfassenden Förderung der Kommunikationsfähigkeiten erweitert werden. Dabei geht es darum, nicht nur die sprachlichen Fähigkeiten zu fördern, sondern auch die kommunikativen Vorläuferfertigkeiten, die Entwicklung intentionaler Kommunikation und den Einsatz von Hilfsmitteln der Unterstützten Kommunikation (Eckert et al., 2024). Die Förderung einer multimodalen Kommunikation spielt hierbei eine bedeutende Rolle, da sie verschiedene Kommunikationsformen berücksichtigt und den Kindern ermöglicht, sich vielseitig auszudrücken.

Um die individuellen Fähigkeiten und den spezifischen Förderbedarf der Kinder im Autismus-Spektrum gezielt zu erfassen, haben sich spezifische Beobachtungskriterien in der Therapie als nützlich und förderlich erwiesen (Eckert et al., 2024). Wie auf Abbildung 1 dargestellt, legt die Orientierungshilfe hierfür klare Schwerpunkte fest, wobei der Fokus auf der Förderung von Grundfertigkeiten wie gemeinsame Aufmerksamkeit, Imitation und Repräsentationsfähigkeit liegt. Weitere wesentliche Entwicklungsbereiche, die gefördert werden, sind Kommunikationsformen und -funktionen, rezeptiver und expressiver Sprachgebrauch, sowie gemeinsame Aktivitäten und Spielverhalten.

Abbildung 1: Förderbereiche der Orientierungshilfe (Eckert et al., 2024)
Beschreibung der Grafik

Die Grafik zeigt eine Übersicht von Grundfertigkeiten und weiteren Entwicklungsbereichen. Zu den Grundfertigkeiten gehören Aufmerksamkeit, gemeinsame Aufmerksamkeit (durch das Kind oder das Gegenüber gelenkt), Imitation, Repräsentation, Abstraktion und strukturiertes Handeln. Die weiteren Entwicklungsbereiche umfassen gemeinsame Aktivitäten, Spielverhalten, Kommunikationsformen und -funktionen, rezeptiven Sprachbereich und expressiven Sprachgebrauch.

Nachdem Sie das Kommunikationsverhalten des Kindes mit ORKA betrachtet haben, wird auf der nächsten Seite erläutert, wie Sie Schritt für Schritt eine Interventionsplanung erstellen können.

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Handlungsideen zur frühen Kommunikationsförderung bei Autismus Copyright © Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik. Alle Rechte vorbehalten.